Reich durch Hartz IV
Beispiel: Die Ablehnung der Arbeit erfolgt am 1. Mai, dafür gibt es dann im Mai, Juni und Juli eine Sanktion um 30 Prozent. Erfolgt die Ablehnung der Arbeit am 1. Juni, gibt es dafür 60 Prozent Sanktion im August. Im Juni und Juli bleibt es bei 30 Prozent, da der Sachverhalt gleich ist. Gibt es ein Meldeversäumnis am 1. Juni, dann dürfen Arbeitsablehnung und Meldeversäumnis addiert werden, weil dies unterschiedliche Vergehen sind. Das bedeutet: 30 Prozent im Mai wegen Arbeitsablehnung, im Juni und Juli dann 40 Prozent, denn Meldeversäumnisse ziehen eine Sanktion von 10 Prozent nach sich. Totalsanktionierungen, also einschließlich Miete, sind sehr selten. 2011 hatten wir 9000 Totalsanktionen. Das entspricht einem Anteil von 0,2 Prozent an allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.«
Der »Geistheiler« und selbsternannte Kämpfer gegen das angeblich verfassungswidrige Hartz-IV-Gesetz, Ralph B., bekommt also das zu Unrecht abgezogene Geld nachgezahlt. Ein Skandal, der nun von allen Diskutanten der Talkshow beklagt wurde, wie man erwartet hätte? Mitnichten! Stattdessen ging es um die Frage, was wertvolle Arbeit sei. Die »Geistheiler-Vorträge« von Ralph B. oder, so Gast Katja Kipping, »Arbeit, die nur auf Profit aus sei oder gar solche, die den Regenwald abzuholzen verhelfe«? Die Schnorrerei von Ralph B. und die Frage, ob der, der arbeitet, der Dumme sei, war auf einmal nicht mehr das Thema. Ich meine, das ist symptomatisch für die Hartz-IV-Diskussion. Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, beeilte sich wieder hinzuzufügen, dass die Jobagenturen natürlich nur Arbeit vermitteln würden, die »zu Bewerbern passt«.
Hätten all die Menschen, die nach dem Krieg aus Pommern, Schlesien oder Ostpreußen in den Westen kamen, die einen Beruf erlernt, eine Wohnung oder ihr Haus verlassen hatten und neu anfangen mussten, immer nur Arbeiten angenommen, die zu ihnen gepasst hätten, wäre die beispiellose Erfolgsgeschichte Deutschlands sicher nicht möglich gewesen. Etwa zehn Millionen Ost- und Sudetendeutsche wurden bis 1950 im Westen aufgenommen. Keiner von ihnen beharrte darauf, er habe schließlich in Breslau oder Königsberg als Bankangestellter, Lehrer oder Ingenieur gearbeitet und sei deshalb auch nur gewillt, in diesem und keinem anderen Beruf tätig zu werden. Die Flüchtlinge arbeiteten auf dem Feld, dem Bau oder in der Fabrik, nahmen einfach die Arbeit an, die es gab. Sie machten unser Wirtschaftswunder möglich. Und heute? Was sollen eigentlich Steuerzahler, die morgens um sechs aufstehen müssen, um zur Arbeit zu gehen, sagen, wenn sie von Verantwortlichen Aussagen hören wie: »Bestimmte Arbeiten sind nicht zumutbar«, es werde nur Arbeit angeboten, die passe, oder die Arbeitsuchenden müssten erst in teuren Kursen motiviert oder daran gewöhnt werden, früh aufzustehen und durchzuhalten, bevor man sie vermitteln könne?
Was sagt es über unseren Staat aus, wenn sich jemand erlauben kann, öffentlich und lauthals zu proklamieren, manche Arbeitsangebote seien verfassungswidrig, würdelos und eine Art »Zwangsarbeit«? Als ob jeder, der morgens um sechs Uhr mit der U-Bahn zur Arbeit zuckelt, sich an die Supermarktkasse setzt, das Büro putzt, ans Band geht, sich in den Handwerksbetrieb oder ins Büro aufmacht, dort seine rosa Blütenträume verwirklicht.
Forderung: Es muss möglich sein, notorische Arbeitsverweigerer und Drückeberger effektiver zu bestrafen, indem etwa die Grundsicherung gekürzt oder gestrichen wird. Der Mehraufwand von Sanktionen dürfte für die Jobcenter nicht so groß sein, dass die PAPs schon vorab resigniert aufgeben, weil sie das nicht leisten können.
7. Daten müssen kontinuierlich abgeglichen werden
Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky berichtet, dass viele Lehrer an Schulen mit hoher Hartz-IV-Dichte resigniert registrieren, dass Eltern, die angeblich kein Geld haben, um den Kindern Schulbücher zu kaufen, mit großen Autos vorfahren. Dass auch vor der Arche in Hellersdorf Familien im Wagen vorfahren, habe ich selbst erlebt, ebenso die Mitarbeiter der Suppenküche. Kein Wunder: Es gibt ja nicht mal eine Datenverknüpfung zwischen der Zollkontrolle Schwarzarbeit und den Jobcentern, geschweige denn zwischen den Jobcentern und der Kfz-Meldestelle – den Datenschützern sei Dank. Das alles muss mühsam, Fall für Fall, abgeklärt werden, wenn denn die Zeit und die Kraft der Jobberater überhaupt dafür reichen und sie nicht schon vorher
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