Reich kann jeder
Bild mit dem Titel: »Mamas söne Geldmaschine«, auf dem ein riesiges dampfendes Gebilde Berge von Münzen spuckt.
Es spuckt wie ein Walross.
»Wie reich müssen wir eigentlich werden?«, frage ich mich plötzlich.
***
Wir schreiben wieder Briefe. Die Briefe gehen an die ganzen großen Läden der Côte d’Azur, ins Byblos, ins Hotel de Paris, ins Casino von Monaco, in den Nikki Beach Club, wo Avril Lavigne feiert, in den Club 55, Clöb 55, den die Bardot berühmt machte und in dem man immer noch isst wie die Bardot.
Sie gehen in die Sündentempel der Welt, wo der Jetset auf uns wartet, zumindest gefühlt oder erhofft.
»Je vous transmets un message important«, schreiben wir drüber und danach in Englisch weiter.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zurzeit suchen wir das Geheimnis des Erfolgs. Auch in Saint-Tropez, das für die Lässigkeit steht, die der Erfolg verleiht. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir auch in Ihrem Hause recherchieren dürften.
Herzliche Grüße, Ihre Anne Nürnberger
Was können wir sonst noch tun, um den Jetset neugierig auf uns zu machen? Großspurige Visitenkarten drucken? Uns als Antiquitätenhändler ausgeben? Sagen, dass wir in Berlin einen ultraexklusiven Beachclub aufmachen wollen? Sagen, dass wir gute Drogen dabeihaben?
»Anne, wie kommen wir da rein? Was haben wir zu bieten?«, frage ich.
»Ich habe ein gutes Gefühl, das wird schon«, sagt sie.
»Das wird nicht reichen.«
Ich kontere, Anne besteht auf ihrer Ansicht. Ich solle mal locker bleiben, sie sei immer überall reingekommen. Ich will ihr nicht sagen, dass sie ein bisschen alt ist für die Konkurrenz und ihre Haut nicht schokobraun ist. Ach, wäre sie doch 18 und hätte einen Bikini mit Perlen.
»Wir haben doch noch gar keine Million«, sage ich nur.
Und Anne: »Das weiß doch keiner.«
»Nur, weil ich mir eine Krone aufsetze, bin ich kein König«, sage ich. »Piraten, die einen Schatz suchen, fahren auch nicht einfach raus aufs Meer, sie haben einen Plan. Saint-Tropez, Privatstrände, Privatclubs. Da gibt es Türsteher, Privatsphäre und Zäune. Weißt du, wie viele da hinfahren?«
Anne ist nicht zu überzeugen. »Wir werden schon jemanden finden, der uns die Türen aufmacht.«
Sie ruft den Millionär in London an, der auch da sein wird, genau zur selben Zeit und noch vier Wochen länger.
Sie schreibt noch einen Brief an einen Playboy, der gerade groß in der Bild -Zeitung war mit Jacht, Mädchen und allem Drum und Dran. Genau unsere Zielgruppe, nicht zu klug und schon ordentlich reich.
An einen seiner Assistenten schreibt sie.
Lieber Herr xxx,
der neue Prototyp der Erfolgreichen verbindet harte Arbeit mit Kreativität, Freiraum mit Geist. Gemeinsam mit meinem Kollegen Jan Rentzow recherchiere ich über die jungen Erfolgreichen, Menschen, die sich von dem Wort Krise nicht abschrecken lassen. Neue Vorbilder.
Am Freitag und zu Beginn der kommenden Woche sind wir in Saint-Tropez, am Samstag in Monte Carlo. Sehr gerne würden wir Herrn A. auf einen Kaffee treffen. Glauben Sie, dass er Lust hätte, mit uns über die neue Generation Success zu sprechen? Er wäre für uns ein idealer Vertreter.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen und einen
lieben Gruß aus Berlin,
Ihre Anne Nürnberger
Es sieht gut aus.
Es ist nicht leicht, meine Mutter davon zu überzeugen, dass alles gut läuft mit den Geschäften, und dann zu sagen: »Mama, nein. Bitte nicht die Überweisungen einstellen. Kannst du mir bitte die 300 Euro weiter überweisen?«
Es ist verdammt schwer zu sagen: »Ich fahre jetzt nach Saint-Tropez.« Und das »Aha« zu hören. Das: »Du musst es ja wissen.«
Aha, Monaco!
24 Euro für einen Gin Tonic. 5 Euro für einen Cappuccino. Junge, dann schmeiß es doch direkt ins Meer, würde sie wahrscheinlich am liebsten sagen. Sie weiß ja nicht, dass wir dort die Mauer verkaufen wollen, die wir auf einem Hof am Stadtrand entdeckt haben – echte Berliner Mauer. Die Bilder davon sind in meiner Kamera.
Ich lasse noch einen Kumpel anrufen, Peter, mit dunkler Stimme und falschem Namen – und ihn fragen, was sie kosten.
»Das ist die beste Idee, die wir bisher hatten«, sagt Anne.
Echte Teile der Berliner Mauer in allen Varianten – als Kartenkunst zu verkaufen an der Côte d’Azur.
Wir haben Fotos vom berühmten, historischen Gestein. Wir haben feine Stoffsäckchen mit echten Gesteinsproben direkt vom Hof.
»Die sind ja ganz schön verwittert«, sagt Peter, als ich ihm die Bilder zeige.
»Super«, sage ich.
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