Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
Vom Netzwerk:
mini, kaum größer als ein Ehebett. Weiße, kahle Wände, hinterm Schreibtisch eine Deutschlandkarte. Hinter mir, so, dass er sie sehen kann, eine digitale Uhr. Rechner, Tacker, Drucker. Der ganze Raum erinnert mich an das Verhörzimmer einer Polizeiwache.
    »Ich möchte so schnell es geht einen Job, der mich wieder ganz ausfüllt«, lege ich mir meine ersten Worte zurecht. Das ist jetzt das Wichtigste, dass ich es schaffe, Vertrauen aufzubauen, denke ich.
    Wenn ich das hier verkacke, geht das nicht noch einmal. Es wäre toll, wenn das klappt, denke ich. Wenn er das Geld nehmen würde, das wäre gut für uns beide.
    Mein Jobvermittler dreht jetzt seinen Monitor zu sich, schaut kurz rein und beginnt zu sprechen. Was hier gesagt wird, sei vertraulich, sagt er. Nichts dringe nach draußen, nichts. Das ist auch in meinem Interesse, denke ich.
    Schade, dass du mich nicht fragst, wie es mir geht, jetzt, wo ich so arbeitslos bin, und wie ich damit klarkomme, keine Arbeit zu haben. Schade, das hatte ich eigentlich auf der Rechnung.
    »Ich habe alle meine Papiere mit«, sage ich. Wir haben noch keine gemeinsame Ebene, das spüre ich.
    Die Tasche mit den 2000 Euro steht zu meinen Füßen. Ich müsste mich bücken, reingreifen. Ich müsste nur so gucken wie gestern im Training. So unschuldig. Dann würde ich den Umschlag einen Moment liegen lassen, ihm in seine Jobvermittler-Augen sehen und loslegen.
    »Sie haben studiert?«
    Er redet ganz schön laut, denke ich. Er spricht laut und gibt den Ton an. Der Ton ist berlinerisch.
    »Ja! Ich habe studiert.«
    »Aber nicht abgeschlossen?«
    »Doch.«
    »Das steht hier gar nicht.«
    Ich weiß gar nicht, was da steht und was nicht. Aber ich weiß, dass ich gut bin, das ist wichtig.
    »Wann haben Sie angefangen zu studieren, 2001?«
    »Nein, 1997 war das, in Potsdam.«
    »Wintersemester?«
    »Ja!«
    »Das steht hier auch nicht. Und aufgehört?«
    »Im Juni 2006.«
    »Januar steht hier!«
    Mein Jobvermittler kann nicht gut drauf sein heute Morgen, denke ich. Er ist so rüde, so barsch, gibt den Unrührbaren. Ich muss ihn erst ein wenig kommen lassen, spiele besser erst mal mit, er wird schon noch dazu kommen, mir zu sagen, wie meine Chancen aussehen und wann ich wieder arbeiten darf. Wenn wir da angekommen sind, frage ich ihn, ob wir das nicht irgendwie beschleunigen können. Doch jetzt, jetzt reden wir kurz noch über Formalien.
    Er schaut in meine Akte, dann in seinen Rechner. Er schaut auf die Uhr. Er guckt mich nicht an.
    »Haben Sie eine Spezialisierung?«
    »Internationales Management!«
    »Okay! Internationale Wirtschaft! Das passt!«
    Er hat keine Ahnung, was Internationales Management ist, aber Internationales Management passt nur als Wirtschaft in den Rechner.
    Wo ich denn gerne arbeiten würde?
    »Beschränkt auf den regionalen Raum?« Er sagt nicht Berlin oder München oder Hamburg. Er sagt regionaler Raum.
    Dass ich sogar umziehen würde, nur nicht pendeln, will ich ihm sagen. Das halte ich für wichtig, um zu zeigen, wie toll beweglich und einsetzbar ich bin, komme aber nicht dazu. Dafür hat er kein Ohr. Das ist ihm egal. Das könne ich ja dann von zu Hause eintragen. Er gebe mir da mal meine Zugangsdaten zur Jobbörse.
    Die Luft ist schwül. Ich spüre die Tasche zwischen meinen Füßen. Meine Hand ist da jetzt drin, streichelt den Umschlag. Der Umschlag fühlt sich dick an.
    Zwei graue Papiere gleiten jetzt durch seine Finger, noch eins. Er ist hoch konzentriert. Spult offenbar ein Programm runter, das ich nicht kenne und auch nicht kennen muss, weil ich eigentlich gar nicht da bin. Etwa fünf Minuten lang zeigt er mir, wo ich meine Fremdsprachen eintragen soll, meine Stärken.
    Welche Stärken, welche Fremdsprachen: Will er nicht wissen. Er muss jetzt den Rentzow irgendwie in diese Kiste kriegen, das ist wichtig.
    »Wer guckt sich das alles an?«, frage ich.
    »Das wird gematcht«, sagt er. Wenn da mal ein Angebot komme, kriege ich Bescheid. Gematcht! Mal ein Angebot!
    70 000 Euro im Jahr will ich haben, das ist das Ziel, aber davon bin ich weit entfernt.
    Meine Lage wird immer schlimmer. Dass es von der Agentur nicht viel Geld geben würde in meiner Situation, stellt er fest, ich könne ja mit Hartz IV aufstocken, wenn es nicht reiche, sagt er. »Berufserfahrung haben Sie ja keine!«
    Er breitet die Arme aus. Er muss jetzt den Staat beschützen, den Rahmen abstecken. Seine Fragen kriegen jetzt alle eine Richtung, die immer kälter wird und offensichtlich meine Zukunft

Weitere Kostenlose Bücher