Reich kann jeder
einmal Danke gesagt.
Im Hotel stelle ich fest, dass ich noch weniger habe, denn ich habe 50 Euro von Annes Streichel-Geld aus der Hosentasche verloren. Anne sitzt noch ein bisschen auf dem Balkon – im kleinen Schwarzen, mit Blick aufs Mittelmeer. Immer noch ohne Mann, nur mit mir.
»Anne, ich will nicht, dass du das machst, wirklich nicht.«
»Ich weiß«, sagt sie und lächelt mich an.
»Wenn man bei Frauen nach der ersten oder der zweiten Verabredung nicht den erotischen Bann durchbricht, überschreitet man oftmals einen Punkt of no return«, lese ich in der Biografie von Gunter Sachs. »Da verfestigt sich das Platonische!«
Am nächsten Morgen klingelt mein Telefon. Es ist der Millionär aus London, der wissen will, wie unser Beach-Business gelaufen ist. Es war super auf der Jacht, sagt er, sie hätten geschnorchelt.
Wir bestellen Champagner und genießen das Frühstück, wie noch nie, dann sagt Anne, dass sie ja nun schließlich zum Millionär-Angeln hergekommen sei und dass sie das jetzt noch einmal versuchen wolle.
Sie redet nicht viel, sagt nur, dass es ja gelacht wäre, wenn da nichts ginge. Früher sei sie mit ihrer Schwester in jeden Laden reingekommen, und immer hätten die Männer Schlange gestanden.
Im Auto nach Saint-Tropez, als ich sie in die Bagger-Bar Nikki Beach bringe, sind unsere Gespräche kurz.
»Vielleicht ist ja Prinz Albert da«, sage ich und denke, dass er es ganz bestimmt nicht ist, aber dass es wahrscheinlich schon ganz okay würde.
»Lass mich mal machen«, sagt Anne. »Ich weiß schon, wie ich das mache. Ich werde schon vorsichtig sein.«
»Die spritzen da Champagner. Es gibt da Betten. Soll ich nicht doch besser mitkommen?«
»Und dann?«
»Ich kann dich beschützen. Ich greife ein!«
»Ach, Jan«, sagt sie.
Wir verabreden, dass sie mir eine SMS schickt, wenn es drinnen, wo der Champagner spritzt, zu merkwürdig wird.
Falls sie Hilfe braucht.
Ich sehe, wie sie zum Eingang huscht, und stehe noch ein bisschen auf dem staubigen Parkplatz. Ein Boy guckt mich an in seiner Uniform.
Ich fühle mich leer – alleine im Jetzt, mit einem langen Nachmittag vor mir.
Ich, der Mann, der Anne angeboten hat zum Streicheln, ganz alleine. Ich, der traurige Junge – einsam in Saint-Tropez.
Ich weniger traurig beim Eisessen.
Ich im Jachthafen bei den Booten. Beim Jachten gucken. Beim Nachdenken, ob ich lieber der Besitzer einer Jacht wäre oder doch der, der auf die Jacht eingeladen wird. Der, auf den sich alle freuen würden, wenn er mitkommt, der Künstler mit der weißen Hose und dem Humor.
Es ist ein langer Nachmittag, gleißend und heiß und ein bisschen stickig. Ich genieße Saint-Tropez, die Boote, die Menschheit, die hinausfährt aufs Wasser und sich selbst vergisst. Die Fußabtreter im Hafen und die Models, die darüber steigen.
Ist das unsere Zukunft, frage ich mich und denke nicht weiter darüber nach. Doch, ich denke darüber nach und wünsche es mir. Jetzt ist es gleich halb fünf, denke ich, jetzt so ungefähr geht es da voll ab bei Anne. Jetzt wird gespritzt mit Champagner, wer nur lunchen wollte, verschwindet jetzt.
Da kriege ich eine SMS, die mich beunruhigt.
»Abholen! Sofort!«, steht auf dem Display.
Ich rufe an, Anne geht nicht ran. Ist ihr was zugestoßen, frage ich mich. Ich fühle, es geht ihr nicht gut, rufe noch einmal an, sie geht nicht ran.
Warum geht sie nicht ran, frage ich mich.
Ich schwitze. Ich habe schreckliche Angst. Haben sie mit ihr was gemacht? Was haben sie mit ihr gemacht?
Anne!
Es ist ein einziges Scheiß-Debakel.
Ich rase die zehn Kilometer zum Strand. Ich stehe im Stau. Ich will vorbei. Ich erreiche den Parkplatz.
Da sitzt sie, zusammengekauert, auf einem Stein in ihrem kurzen grünweißen Kleid.
Sie hat den Kopf zwischen den Knien.
»Anne«, rufe ich. »Anne!«
Sie hat Tränen in den Augen. Sie steigt ins Auto. Der Türsteher von Nikki Beach hat uns noch im Blick.
»Komm«, sage ich. »Komm!«
Raus fahren wir, die Stichstraße raus. Rechts ist Stau, wir fahren nach links. Einfach weiter. Ich und Anne, die völlig durch ist.
»Ich kann nicht mehr«, sagt sie, und ich weiß nicht, was sie meint. Ich bin so froh, dass sie da ist. Dass ich sie wiederhabe.
»Was war?«, frage ich.
Keine Antwort.
»Das war schlimm?«
»Ja.«
»Was war denn los?«, frage ich, gucke sie an, und sie guckt mich an. Dann sagt sie, was los war.
»Ich konnte es einfach nicht.«
***
Ein Kumpel ruft mich an, als ich gerade an unserem Hotelpool
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