Reich kann jeder
er und lächelt uns fröhlich an.
»Wir müssen uns beeilen«, sage ich und habe kein Ziel, das Leben ist mein Ziel, mein Glück, und ich gebe Gas, mehr als vorhin, ich donnere über die Autobahn raus aus Baden-Baden.
230 km/h.
»Man merkt die Geschwindigkeit nicht«, sage ich. »Man kann freihändig fahren.«
»Bitte nicht«, sagt Anne.
280 können wir, der Motor surrt. Und nachdem wir das jetzt wissen, können wir auch wieder langsamer fahren.
»Ist ja auch anstrengend so schnell«, sagt Anne.
»Nee, eigentlich nicht, ist geil«, sage ich.
»Ich glaube, die Vögel kacken auch lieber auf einen Porsche. Die Scheibe ist schon ganz voll.«
***
»Der Jan freut sich auch schon auf dich, das ist ja so ein kluger Junge«, hat Anne gesagt, als sie das erste Treffen mit Sandra im Café ausgemacht hat.
Kluge Jungs, denkt Anne, das könnte sie mögen, die kluge Sandra. Obwohl sie ja jetzt einen Freund haben soll, einen Schauspieler.
»Bei mir um die Ecke, in diesem Café am Savignyplatz?«, hat sie gefragt.
Bei ihr um die Ecke in diesem Café am Savignyplatz.
Ich stelle sie mir wahnsinnig schlau vor, so ein Mega-Mathe-As, aber sehr hübsch. Sie war mal Model.
Es ist ein bisschen so wie eine Verabredung mit dem Glück, und man weiß, dass man jetzt nur lange genug gute Stimmung machen muss, dann sagt das Glück: »Ja, hier bin ich richtig!«
Und dann kommt es tatsächlich so, wir sitzen am Savignyplatz, und sie sagt diese ganzen Sachen, die mir wirklich gefallen und mich anspornen, das Glück auch ja nicht zu verprellen.
»Wenn ich Geld brauche, gehe ich nicht mehr zur Bank, sondern ins Casino«, sagt sie.
»Die haben bestimmt alle wahnsinnig viel Respekt vor dir, wenn du kommst«, sage ich.
Sie erzählt, dass es Turniere gibt, wo sie alle in den Pausen mit dem Laptop im Pool liegen und online weiterzocken. Auf den Bahamas.
»Dein Kleid ist wirklich schön. Wenn man von den Bahamas kommt, ist das bestimmt ein Kälteschock«, sage ich.
Sie ist gerade aus Barcelona zurück.
»In Barcelona gibt es eine große Russen-Community«, sagt sie. »Denen tut es nicht weh, ein bisschen zu verlieren. Vielleicht gehen die ein bisschen lockerer mit ihrem Geld um!«
Ich muss an die vielen Russen in Baden-Baden denken. Angeblich die größte Russendichte Deutschlands, weil sie sich da alle operieren lassen.
Der Deal, den wir ihr anbieten wollen, ist denkbar einfach. Wir geben ihr 3000 Euro, sie geht ins Casino, gewinnt und macht mit uns halbe-halbe. So soll es sein, denken wir, und machen schon Rechenspiele.
Sie sagt, sie hat einen ROI von 300 Prozent. Das heißt, wenn sie 3000 Euro einsetzt, macht sie daraus 9000.
»Tun dir die Leute leid?«
»Nein, Mitleid ist fehl am Platz.«
»Wissen die in der Regel, wer da kommt?«
»Manche ja, manche nein, aber das sind alles Fische, und ich bin dann der Hai.«
»Wonach suchst du dir die richtigen Tische aus?«
»Wenn da schon zwei Haie dran sitzen, gehe ich nicht dran. Dann gibt es Blicke von den anderen Haien, ich weiß, jetzt ist das schon abgegrast.«
Sie ist ein Hai mit langen dunklen Haaren. Ihr Blick ist wirklich komisch. Wenn sie dich anguckt, weißt du nicht, wohin mit dir. Man versinkt in diesen eisblauen Augen, das wird ihre Waffe sein, denke ich.
Weder ich noch Anne wissen so genau, wie Poker funktioniert, aber wir sitzen da, als seien wir die Geschwister von Black Jack mit einer Wohnung in der Großen Straße. Hey, wir müssen doch die Regeln nicht kennen, du spielst für uns.
»Fifty-fifty. Das hat mich noch nie jemand gefragt«, sagt sie. »Ihr seid die Ersten.« Sie sagt, wir seien wirklich originell. Deshalb macht sie mit.
***
Ich male mir gerade aus, wie es sein wird, wenn am Abend alles gut geht, und wie wir uns dann gebührend bedanken. Da klingelt Annes Handy.
Sandra.
»Auf der Avus ist Baustelle, ich habe den Flieger verpasst.«
Den Flieger, den wir gebucht haben, um sie einzufliegen.
»Alles nicht so schlimm, habe schon umgebucht. Um 20.15 Uhr bin ich da.«
Sie kommt zwei Stunden später.
»Wir gehen hier zur Bank, holen das ganze Geld, wir schicken das beste Pferd ins Rennen, und das will später kommen«, bin ich schon ein bisschen wütend. Mich nervt das, dass wir hier nicht alles rausholen.
Ich finde es nicht gut, dass ich von ihr abhängig bin. Gerade aus dem Nichts-tun-Können, aus dem Sich-nachher-Danebensetzen entsteht für mich eine Angst.
»Immerhin kommt sie noch«, sagt Anne, um mich zu beruhigen, aber ich hasse es, beruhigt
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