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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bereits gesagt habe, waren wir von letztem Samstag bis gestern in Larmer Tree. Wendy war mit, und auch Chris. Der wohnt ebenfalls hier. Dazu noch ein paar, die nicht mit hier wohnen. Die letzten zwei, drei Male hatten wir einen Essensstand da. So als Nebenjob. Aber immerhin bringt’s etwas Geld rein, damit haben wir unsere Fahrtkosten wieder drin.
    »Wo ist dieser Chris im Moment?«
    »Wahrscheinlich bei der Arbeit. Hat ’nen Secondhand-Plattenladen. Mit CDs, alten Vinylscheiben und so Sachen.«
    »Ich brauche die Adresse, Kevin. Wann genau sind Sie zurückgekommen?«
    Holland lehnte sich auf das Sofa zurück, schob sich die Dreadlocks aus der Stirn und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    »Zwischen zehn und elf. So gegen acht haben wir zusammengepackt, und die Fahrt dauert etwa zwei Stunden.«
    Wendy Pelham nickte. Ihr mattbraunes Haar war kurz und glatt, ein klassischer Topfschnitt. Kerrs Dad hatte seinem Sohn mit so einem Schnitt gedroht, als er elf oderzwölf war und sich wieder einmal vor einem Friseurbesuch drücken wollte.
    »Es war genau Viertel vor elf«, sagte sie. »Ich kann zu hundert Prozent für Kevin bürgen. Genau wie die anderen.«
    Was seid ihr doch für eine große, glückliche Familie, dachte Kerr.
    »Die anderen. Ich brauche auch deren Namen und Adressen.«
    Er blätterte in seinem Notizbuch eine Seite weiter und zückte seinen Kugelschreiber. Holland gab ihm Adresse und Telefonnummer eines Ladens namens »CD Heaven« und nannte ihm zwei weitere Leute, die gemeinsam unter einer Adresse erreichbar seien.
    »Das reicht, Kevin«, sagte er. »Damit können wir Ihre Aussage untermauern. Verstehe ich es recht, dass Sie das Haus anschließend nicht mehr verlassen haben?«
    »Ich hab noch was geraucht, einen Tee getrunken und mich irgendwann vor zwölf ins Bett gehauen.«
    »Und Sie haben Mrs Mortimer weder gesehen noch von ihr gehört?«
    »Nein. Nein, hab ich nicht.«
    Hollands linker Fuß schoss plötzlich vor und trat den Tisch um. Er warf sich auf die Knie und hämmerte mit den Fäusten auf die umgedrehte Holzplatte.
    »Hab ich nicht, hab ich nicht! Verdammt noch mal,
nein!
«
    Wendy versuchte, ihm einen Arm um die Schultern zu legen, aber er schüttelte sie ab und trommelte noch eine Weile weiter. Kerr hörte wieder Moloko: ›Give up yourself unto the moment‹.
    Holland stand auf und drehte den Tisch um. Seine Fingerknöchel waren zerkratzt und bluteten. Als ersprach, war seine Stimme nicht mehr als ein ersticktes Flüstern.
    »Ich wusste, dass da was nicht stimmt, als sie keine Nachricht schickte. Hierauf hätte ich hören sollen, nicht darauf.«
    Er stieß sich mit dem Zeigefinger erst auf die Brust und dann gegen die Schläfe. »Ich hätte in der Nacht noch hinfahren sollen und nicht erst heute Morgen.«
    Kerr sagte ihm, er solle sich keine Vorwürfe machen. Allein den Mörder treffe Schuld.
    Wendy richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, blieb aber trotzdem deutlich unter einssechzig.
    »Ich glaube, Sie gehen jetzt besser.«
    Kerr machte diesen Job schon zu lange, um noch zu glauben, was sich hartnäckig in den Lehrbüchern hielt: dass man alle Situationen dominieren und jede Auseinandersetzung gewinnen müsse.
    »Bin schon weg«, sagte er und versprach Holland, dass jemand anrufen und ihm mitteilen werde, wann er die Tote noch einmal sehen könne.
    »Keine Sorge«, fügte er für Wendy Pelham hinzu. »Ich finde schon alleine hinaus.«
    Der Plattenladen lag keine zwei Straßen entfernt. Er beschloss, seinen Wagen stehen zu lassen und zu Fuß zu gehen. Wie sich herausstellte, war der Laden im Souterrain unter einem Gebrauchtmöbelgeschäft untergebracht. Fünf, sechs Kunden stöberten in den C D-Kästen . Nicht schlecht, dachte Kerr, für einen heißen Samstagnachmittag im August. Er erlaubte sich selbst einen schnellen Blick in die Kiste mit den Neuzugängen. Graham Parker, ›Squeezing Out Sparks‹, lockte ihn. Ein mittleres Loch in seiner Sammlung, gefüllt für sechs Pfund? Aber er ließ es, er hatte Wichtigeres zu tun.
    Der Mann hinter der Theke war eher fünfzig als vierzig, und was von seinem roten Haar noch geblieben war, hatte er sich zu einem Zopf gebunden. Kerr hatte sich nichts gedacht, als Holland den Namen genannt hatte, aber jetzt klickte es plötzlich in seinem Kopf. Chris Parr, Karriereaktivist, Crowbys erstes und letztes grünes Ratsmitglied. Parr hatte seinen Sitz bei der letzten Kommunalwahl verloren, aber die Erinnerung an ihn blieb wach und bot Stoff für

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