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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kantinengespräche. Kerr hatte ihn allerdings nie persönlich getroffen. Ein paar Jahre lang hatte Parr im Polizeibeirat der Stadt gesessen und den Chief Constable angeblich mehr als einmal an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht. Worum auch immer es ging – die Proteste gegen die Ausweitung des Straßennetzes, gegen die neue Mülldeponie oder die Ablehnung von Asylbewerbern   –, Parr stand mit dahinter und wandte sich gegen sämtliche Maßnahmen der Polizei in Bezug auf Demos und direkte Aktionen.
    Kerr hielt ihm seinen Ausweis hin. Parr war groß und dünn, hatte aber einen Bierbauch, der sein ausgeblichenes rotes T-Shirt gefährlich dehnte. Für den politischen Slogan darauf reichte Kerrs Touristenspanisch nicht aus, aber er konnte ziemlich sicher ausschließen, dass es ein Lob auf die Weltbank, die britische Nuklearindustrie, Monsanto oder Ronald McDonald war.
    »Mr Parr? Gibt es hier einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können?«
    Parr reagierte nicht die Spur überrascht. Ich fress einen Besen, wenn Wendy Pelham während der letzten fünf Minuten
nicht
hier angerufen hat, dachte Kerr. Parr machte eine Geste zu einem Jungen mit Eminem- T-Shirt hinüber, der das Schwarze Brett links neben dem Eingang von abgelaufenen Veranstaltungshinweisen und offensichtlichveralteten Verkaufsangeboten befreite. Der Junge übernahm den Job hinter der Theke, und Parr führte Kerr in ein Hinterzimmer.
    »Ja, Mann«, sagte er, ohne dass Kerr ihn fragen musste, »ich war mit Kevin, Wendy und der Truppe die ganze letzte Woche unterwegs. Gestern Abend sind wir zurückgekommen. Ich bin nicht ganz sicher, wann, würde aber sagen, so gegen elf. Mögen Sie ’ne Tasse?«
    Kerr nickte eine Sekunde zu spät, um sein leichtes Erstaunen über das Angebot verbergen zu können. Man war in seinem Job so an die allgemeine Feindseligkeit gewöhnt, dass man darauf achten musste, von einfacher Höflichkeit nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Parr griff nach einem Wasserkessel und zwei fast sauberen Bechern.
    »Wendy hat eben angerufen. Ich denke, ich halte den Laden noch bis drei Uhr auf. Wir hatten sowieso die ganze letzte Woche geschlossen. Nicht, dass ich viel tun könnte, aber in üblen Situationen braucht man nun mal seine Freunde, habe ich recht?«
    Kerr ging über den abgedroschenen Satz mit einer Gegenfrage hinweg.
    »Sie machen hier ein bisschen einen auf Rock ’n’ Roll, was?«
    Parrs Grinsen war sicher mal jungenhaft gewesen, vielleicht sogar charmant. Aber da musste er noch alle Schneidezähne gehabt haben.
    »Lesen Sie denn keine Zeitung, Sergeant? Wir sind die Vierzig-plus-Teenager. Wir kommen gerade groß raus. Die Leute wollen die ganze Hetze nicht mehr und suchen nach etwas Bedeutungsvollerem. Wobei ich persönlich bei der ganzen Scheiße sowieso nie mitgemacht habe.«
    »Das heißt, Sie wohnen möbliert und leben vom Recycelnalter Schallplatten. Ich dachte immer, ihr wolltet die Welt verändern?«
    Parr gab Kerr seinen Becher Tee und öffnete eine Milchtüte.
    »Nur der Vermieter spricht von möblierten Zimmern. Für die Leute, die da wohnen, ist es ein gemeinschaftlicher Ort. Und die Welt hat sich doch verändert, Mann. Selbst Tories geben zu, dass sie Gras rauchen, Vorstadtfrauen überfallen Tierlabore, und die Kids erfinden den Tauschhandel neu und weigern sich, Lohnsklaven zu werden. Die Tage des alten, üblen Imperiums sind gezählt, aber sicher.«
    Kerr goss sich etwas Milch in den Tee und beschloss, die Diskussion zur Lage der Nation erst einmal zu vertagen.
    »Zurück zu Mr Holland. Wussten Sie von seinem Verhältnis mit Mrs Mortimer?«
    »Wir alle wussten davon, Mann. Sie kam zwei-, dreimal die Woche zu ihm. Normalerweise unter der Woche, nachmittags. Alle mochten sie. Ne super Frau. Sie wollte sich ändern, ihren Kopf klarkriegen, verstehen Sie?«
    Tja, am Ende hat sich ’n bisschen zu viel für sie geändert, dachte Kerr, behielt den Gedanken aber für sich.
    »Ich nehme nicht an, dass ihrem Mann diese Besuche wirklich zusagten.«
    Parr schlürfte seinen Tee. Irgendwie hatte Kerr von Anfang an gewusst, dass er ein Schlürfer war.
    »Soweit ich weiß, hatte Mr Großkopf keinen Schimmer, was seine Mrs machte, und niemand im Haus hätte auch nur im Traum dran gedacht, ihm was zu stecken. Und viel Besuch aus Cocktailkreisen kriegen wir auch nicht. Wobei er, nach allem, was Jenny sagte, die meiste Zeit sowieso im Büro oder auf Geschäftsreisen verbrachte.«
    »Wussten Sie, dass Kevin Holland

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