Reich und tot
»Brewer’s Rest«. Er musste sich mit Kerr vor der anstehenden Teambesprechung austauschen, und dabei ließ sich auch gleich ein Bier trinken.
Der Sergeant, begleitet von zwei Constables, brachte Gus Mortimer in einen der Befragungsräume und schloss dann von außen die Tür ab. Mortimer hatte den Eindruck, dass es ein anderer Raum war als am Morgen, hätte aber nicht sagen können, worin die beiden sich unterschieden. Bestimmt glichen sich diese Höhlen alle, waren düster, eng, schäbig und stanken nach kaltem Zigarettenrauch. Er setzte sich an den billigen Tisch; der Stuhl war so klein, dass er sich zwischen die Armlehnen zwängen musste. Sich selbst überlassen, fuhr er mit dem Finger über den Rand des alten blauen Aschenbechers. Er rauchte seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Der Geruch im Raum ließ ihn sich schmutzig fühlen, fast wäre ihm übel geworden.
Er musste immer wieder an ihre Leiche denken, er konnte einfach nicht anders. Kopf und Nacken waren voller Schwellungen und Verfärbungen gewesen, das hatte er sofort gesehen, als der Wärter, oder wer auch immer das war, das Tuch zurückgezogen hatte. Diese dreckige Horrortype, dachte er. Er hatte gehört, dass die Kerle manchmal mit den Leichen rummachten. Dass sie nur deswegen dort arbeiteten. Die Schultern hatten ebenfalls fürchterlich ausgesehen, komischerweise bis auf die Stelle rechts, die mit dem Schmetterling. Der war intakt geblieben, völlig unversehrt.
Draußen näherte sich jemand, und die Tür ging auf. Der Sergeant trat zur Seite und ließ Alan Slingsby eintreten, Crowbys Top-Strafverteidiger. Mortimer hatte Slingsbys Namen immer wieder mal in Verbindung mit einem wichtigen Prozess in der Zeitung gelesen. Als Mortimer seinen Anruf machen durfte, hatte ihm der Anwalt von Planet Avionics gesagt, Slingsby sei der richtige Mann für ihn, der einzig richtige.
Das war er also. Viel her machte er nicht, dachte Mortimer. Ein durchschnittliches Gesicht, fast ohne jeden Ausdruck. Sein Handschlag war weich und eher beiläufig. Slingsby setzte sich.
»Wann können Sie mich hier herausholen?«, fragte Mortimer, als sich die Tür hinter dem Sergeant geschlossen hatte. Slingsby legte einen schwarzen Aktenkoffer auf den Tisch und ließ die Schlösser aufschnappen. Er nahm seine Unterlagen heraus und kratzte sich den Nacken, direkt unter dem akkurat ausrasierten Haaransatz.
»Sie wurden heute Morgen um, Moment ... um elf Uhr fünfundvierzig auf Ihre Rechte hingewiesen. Das bedeutet, dass die Polizei Sie bis morgen früh um die gleiche Zeit ohne Anklage hierbehalten kann. Und dann noch mal für weitere zwölf Stunden, wenn sie glaubt, einen Grund dafür zu haben.«
Er ließ den Blick über das Blatt gleiten, das er in der Hand hielt.
»Ich nehme an, dass sie genau das vorhaben. Es sei denn, sie finden vorher etwas, das Sie eindeutig als Täter ausschließt. Hat man schon eine DN A-Probe genommen?«
Mortimer nickte.
»Das könnte gut oder schlecht für uns sein. Aber die Resultate gibt es nicht vor Montag. Je nach Ergebnis müssen Sie sich auf einen langen Aufenthalt hier drinnen vorbereiten, äh ... Gus.«
Mortimer starrte durch ihn hindurch.
Er
war der Kunde und zahlte ein Vermögen, aber dieser Slingsby behandelte ihn von oben herab, als wäre er ein Kleinkrimineller, irgendein Drogenabhängiger, der ihm als Pflichtmandat aufgehalst worden war.
»Was meinen Sie mit ›lange‹?«
Slingsby legte seine Unterlagen zur Seite und verschränktedie Hände auf dem Tisch wie ein Wirtschaftsprüfer, der den Aktionären die bittere Wahrheit eröffnet.
»Ich meine, Gus, dass da etliche Indizien deutlich gegen Sie sprechen. Wenn nicht noch ein anderer auf die Bühne stolpert, fürchte ich, sind Sie am Ende derjenige, welcher . . .«
Slingsby hustete. Vielleicht hatte auch er Probleme mit der schlechten Luft.
»Bevor wir in die Einzelheiten gehen, muss ich Sie etwas fragen, Gus. Überlegen Sie gut, bevor Sie mir antworten. Haben Sie Ihre Frau umgebracht? Ich muss es wissen. Ich kann Sie trotzdem verteidigen. Aber ich kann nicht auf unschuldig plädieren, wenn Sie mir sagen, dass Sie es getan haben.«
Sie hatte sich den Schmetterling machen lassen, als er sie das erste Mal hatte überreden können, ihren hoffnungslosen Freund zu betrügen. Als sie zu einem Liebeswochenende nach Brighton gefahren waren. Brighton war so klischeehaft, dass sie es schon wieder für originell hielt. Sie verbrachten die meiste Zeit im Bett, aber irgendwie endete
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