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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vorbei und folgten Horton zu den Aufzügen. Jacobson hatte überlegt, ob er Croucher, den Vizepräsidenten, von ihrem Besuch in Kenntnis setzen sollte, sich aber dagegen entschieden.
Ist wahrscheinlich sowieso sinnlos,
hatte Horton gesagt.
Der wird gar nicht da sein.
Offenbar war der leitende Manager der Uni (zwei Tage die Woche) neuerdings auch noch Berater des Vorstands der privatisierten Wasserversorgungsgesellschaft (drei Tage die Woche). Jacobson musste an seine Auseinandersetzung mit Croucher im Fall Roger Harvey denken. Das ist es, was tatsächlich gefragt ist, dachte er. Er hatte in der Zeitung vom Fachkräftemangelgelesen und naiv, wie er war, angenommen, es gehe um Ingenieure, Ärzte, Gehirnchirurgen: nicht um Ausschusshocker, die ein Talent dafür hatten, ihren Arsch gut zu parken und anderen genau da hineinzukriechen. Horton führte sie zu den verschiedenen Großraumbüros, die das Nervenzentrum des Computernetzwerks bildeten. Sein Freund Alan Hampson arbeite immer noch dort, hatte er ihnen erklärt, obwohl er sich gerade nach etwas Besserem umsehe.
Jeder dort tut das.
    Wenigstens sieht der jetzt wie ein wirklicher Computerfreak aus, dachte Jacobson. Schmal, mit Brille und glattem, fettigem Haar. Jacobson und Kerr überließen Horton und seinem Exkollegen den praktischen Teil, während sie sich selbst auf die Suche nach dem Leiter der Computerabteilung machten. Den Vizepräsidenten zu brüskieren war eine Sache, aber sollte die Suche hier mögliche Beweise zutage fördern, die vor Gericht Bestand hatten, mussten sie zeigen können, dass sie die Daten auf legale Weise bekommen hatten, in Kooperation und mit Zustimmung der Universität.
    Als sie zurückkamen, beugten sich Horton und Hampson gerade über den Drucker. Jemand hatte am fünfzehnten Januar, einem Montag, um fünfzehn Uhr zehn eine E-Mail an die Website von Aktion & Widerstand geschickt, aber die Spur verflüchtigte sich, bevor sie einen spezifischen Nutzer ausmachen konnten, und das System vernichtete alle zwei Monate die gespeicherten Sicherungskopien der E-Mails . Was sie jedoch hatten, war eine Auflistung aller Nutzer, zweihundertsechs an der Zahl, die an dem Tag zwischen drei und vier Uhr nachmittags das System benutzt hatten.
    Steve Horton nahm die Blätter aus dem Drucker. Darauf waren die individuellen Benutzernamen jeweilseiner konkreten Person zugeordnet, mit Namen, Adresse sowie Abteilung oder Seminar. Jacobson legte die Stirn in Falten. Ihr Fall hatte sich inzwischen nicht nur zu einem Doppelmord ausgewachsen, sondern auch so abstruse Züge angenommen, dass die Möglichkeit eines Internet-Irren nicht mehr völlig auszuschließen war. Aber nie und nimmer würde die obere Etage eine Ermittlung des Ausmaßes autorisieren, das nötig wäre, um jeden einzelnen dieser Benutzer ausfindig zu machen. Oder gar herauszufinden, wer von ihnen die Website kontaktiert hatte, und dann auch noch zu beweisen, dass dieser Kontakt krimineller Natur gewesen war. Dass Gus Mortimer prompt sechs Tage später auf der »Liste der Schande« aufgetaucht war, reichte da als Beweis wohl kaum aus.
     
    Nachdem Chris Parr und Kevin Holland ihre Aussagen unterschrieben hatten, fuhren Emma Smith und DC Williams sie vom Präsidium zurück nach Longtown. Ärgerlicherweise trafen sie Wendy Pelham dort nicht an, die ihren Mitbewohnern eine Nachricht hinterlassen hatte, sie wolle den Nachmittag in der Stadt verbringen und sehe sie später. Smith und Williams kamen daraufhin um zwanzig nach vier noch einmal wieder und saßen Tee trinkend mit Parr in der Küche, als Pelham endlich um Viertel vor fünf das Haus betrat. Überraschenderweise machte sie kein großes Theater, sondern schien es sogar zu genießen, ihnen die Worte zu diktieren, hier und da noch einmal die Meinung zu einer bestimmten Formulierung zu ändern und zuzusehen, wie Emma hastig einen Satz ausstrich und von vorn beginnen musste. Um halb sechs endlich waren sie fertig und ließen Pelham auf der gepunkteten Linie unterschreiben.
    »Wie wär’s mit einem schnellen Bier, Em«, fragte Williams, als sie endlich wieder auf der Straße standen.
    »Warum nicht?«, sagte sie, müde von den Anstrengungen des Tages.
    Die Vernehmung selbst hatte gerade mal eine Dreiviertelstunde gedauert. Nicht einer im Präsidium würde sich wundern, wenn sie noch etwas länger dauerte.
    An der Ecke gab es einen winzigen Pub mit einem wohnzimmergroßen Schankraum und einer Art Biergarten nach hinten hinaus. Genau die Art Pub, die im

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