Reid 2 Die ungehorsame Braut
liebt und dessen Kinder sie unter dem Herzen tragen, um die ich mich dann kümmern kann... Sind Sie sicher, dass Sie nicht vielleicht guter Hoffnung sind?«
Ophelia war sich nicht sicher, sagte aber: »Ja, ich bin mir sicher, dass ich nicht schwanger bin. Sei so lieb und sag dem Fahrer, er möge anhalten. Ich fürchte, mir ist schon wieder übel.«
»Also doch guter Hoffnung?«
»Nein! Ist auch egal, wir brauchen nicht anzuhalten. Es ist schon wieder vorbei. Vermutlich liegt das nur an der Wut, die mich von innen heraus auffrisst, und diese elende Schaukelei macht es nur noch schlimmer.«
»Es wäre keine Schande, wenn Sie guter Hoffnung wären. Schließlich sind Sie verheiratet.«
»Aber ich bekomme kein Kind!«
»Prima. Komisch nur, dass Ihre Wut Ihnen bisher noch nie auf den Magen geschlagen ist.«
»Das liegt daran, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so wütend war.« Sadie brummte etwas vor sich hin, doch Ophelia hatte die Ohren längst auf Durchzug gestellt. Sie war sich selbst nicht sicher was sie mit diesem Besuch erreichen würde. So weit hatte sie sich im Vorfeld gar keine Gedanken gemacht. Das Letzte was sie beabsichtigte, war, einen Keil zwischen Rafe und seine Familie zu treiben. Doch Rafes Drohung hing wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf. Es bedeutete ihr viel, wenigstens eine Person auf ihrer Seite zu wissen, vor allem, wenn Rafe tatsächlich versuchte, ihre Freiheit zu beschneiden und sie nach Alder’s Nest zu verfrachten - mutterseelenallein.
Die Fahrt nach Norford Hall dauerte einen halben Tag. Mit Ausnahme des königlichen Palasts hatte Ophelia noch nie ein solch großes Anwesen zu Gesicht bekommen. Das Ausmaß des Gebäudes war imposant und gab ihr das Gefühl, ein Niemand zu sein. So wohnten also Herzöge und ihre Familien.
Sadie war nicht minder beeindruckt, als sie aus der Kutsche stieg und sich mit weit aufgerissenem Mund das Gebäude ansah. Mit einem rauen Flüstern sagte sie: »Ich bete zu Gott, dass Sie wissen, was Sie tun.«
Doch Ophelia antwortete ihr nicht. Wie aus dem Nichts tauchte eine Horde livrierter Diener auf, geleitete die beiden Frauen zum Haupteingang und machten sich daran, sich um Gepäck und Gefährt zu kümmern. Ophelia war froh, sich für eine edle Gewandung entschieden zu haben. Das war vermutlich der Grund dafür, weshalb sie ohne Nachfrage nach ihrer Identität oder ihrem Begehr vorgelassen wurde.
Als Ophelia jedoch vor den breitschultrigen Butler von Norford Hall trat, musste sie schlucken. Er machte nicht den Anschein, als wolle er ihr gestatten, auch nur einen Fuß in das herzogliche Herrenhaus zu setzen, ohne vorher in Erfahrung gebracht zu haben, mit wem er es zu tun hatte. Doch Sadie, die einsame Spitze war, wenn es darum ging, mit Bediensteten zu kommunizieren, hatte keine Angst, sich mit ihresgleichen auseinanderzusetzen, selbst wenn diese einen höheren Rang bekleideten als sie. Ihre anfängliche Scheu war wie weggefegt, als sie ohne großes Federlesen direkt auf den Punkt kam.
»Wir benötigen zwei Zimmer«, erklärte Sadie dem Butler fast schon kaltschnäuzig. »Eines davon sollte geräumig sein, also denken Sie nicht einmal im Traum daran, meine Herrin in einem herkömmlichen Gästezimmer unterzubringen. Falls Sie es nicht wissen, Sie haben es hier mit der Schwiegertochter Ihres Herrn zu tun. Wenn man bedenkt, wie groß der Sitz des Herzogs ist, dürfte es doch sicherlich kein Problem sein, mich in einem Zimmer in unmittelbarer Nähe meiner Herrin einzuquartieren. Vielen Dank.«
Kaum hatte Sadie zu Ende gesprochen, wurden sie auch schon vorgelassen. Stünde dieser Butler in ihrem Dienst, hätte Ophelia ihm einen Rüffel dafür erteilt, dass er sich von der Hochnäsigkeit einer fremden Bediensteten einschüchtern ließ.
Als Ophelia das pompös ausgestattete Gästezimmer betrat, das ihr zugewiesen wurde, kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es war mindestens viermal so groß wie ihr Zimmer zu Hause. Sie, die Luxus gewöhnt war, besaß keine Scheu, sich in voller Montur auf das opulente Bett fallen zu lassen.
Nachdem sie den Großteil des Tages in der Kutsche verbracht hatte, hätte sie sich ein wenig ausruhen sollen, zumindest bis zum Abendessen, doch Ophelia war viel zu nervös. Sobald sie die erste Begegnung mit dem Herzog hinter sich gebracht hätte, würde sie - vorausgesetzt, alles lief glatt -, sich ein wenig entspannen können und ihren Aufenthalt womöglich genießen. So kam es, dass sie ihre Reisekleider ablegte, in
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