Reid 2 Die ungehorsame Braut
Gourmand gerecht wurde.
Mit einem Mal wurde Ophelia von dem Bedürfnis übermannt, dem ganzen Trubel zu entfliehen. Als sie nach einer kleinen Atempause wiederkam, machte sie sich auf die Suche nachRafe. Er hatte sich gerade einen Teller reichhaltig befüllt und hielt nach einem freien Platz Ausschau. Doch das Glück war ihm nicht hold, alle Stühle waren besetzt, da die meisten Gäste sich bereits am Buffet bedient hatten.
»Das Esszimmer ist vermutlich leer«, raunte sie ihm mit verschwörerischem Unterton zu, als sie hinter ihm auftauchte.
Rafes hellblaue Augen blieben an ihr haften. Ophelia stockte der Atem. Wie gut er aussah. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, hatte er diesen Effekt auf sie, und in seinem dunklen Gehrock machte er eine besonders gute Figur. Der Stoff schmeichelte seinen Schultern, und die schneeweiße Krawatte trug er locker um den Hals. Sein goldenes Haar schimmerte sanft im Schein der Kerzen. Seine unmittelbare Nähe ließ ihr Herz rasen. Gott, sie hoffte, dass er ihr nicht an der Nasenspitze ansah, welchen Effekt er auf sie hatte.
Sie schien Glück zu haben, denn er erkundigte sich: »Gibt es dort denn Stühle, oder sind die alle hierhergebracht worden?«
Endlich hatte Ophelia ihren Atem wieder unter Kontrolle. »Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, wie viele Stühle meine Mutter zur Verfügung hat. Kleine Feste sind ihrer nicht würdig, sagt sie immer.«
Als ihr Blick auf seinen Teller fiel, auf dem sich die Speisen türmten, grinste Raphael und sagte: »Ich hatte kein Mittagessen.«
»Sollen wir los?«
»Wie wäre es, wenn du dir auch einen Teller nimmst.«
»Ich habe keinen Hunger.«
Raphael hob eine Augenbraue. »Mir schwant, wir haben versäumt, uns eingehender über deine Magerkeit zu unterhalten.«
Er hänselte sie wieder, oder vielleicht auch nicht. »Findest du ernsthaft, ich bin zu dünn?«, fragte sie und blickte mit gerunzelter Stirn an sich herunter.
»Du willst nicht wirklich wissen, was ich über deinen Körper denke.«
Sofort fingen ihre Wangen Feuer, vermutlich, weil sie wieder nach oben sah und das Flackern in seinen Augen bemerkte, als sein Blick über ihre Brüste glitt. Schnell griff sie sich ein Würstchen im Schlafrock und zeigte in die Richtung, in der sich das Esszimmer befand.
Wider Erwarten war der Raum nicht leer. An einem Ende der Tafel saßen zwei Gentlemen, die gerade in ein hitziges Wortgefecht verstrickt waren. Einer von ihnen, Jonathan Canters, hatte sie vor gerade mal einer Viertelstunde gefragt, ob sie seine Frau werden wolle. Es war ihr zweiter Antrag an diesem Abend gewesen. Und es war ihm nicht minder ernst als Hamilton. Jonathan hatte sie bereits zu Beginn der Saison schon einmal gefragt, ehe sie ihre Verlobung mit Duncan bekannt gegeben hatte.
Ophelia lächelte den beiden Herren freundlich zu und wandte dann flugs den Blick ab, um sie wissen zu lassen, dass sie keinerlei Interesse daran hatte, sich zu ihnen zu gesellen. Stattdessen entschied sie sich für das andere Ende der Tafel und wartete darauf, dass Rafe neben ihr Platz nahm. Sie konnte es selbst kaum glauben, dass sie ihre Neugierde so lange hatte bezähmen können.
»Was machst du hier?«, platzte es im Flüsterton aus ihr heraus. »Solltest du nicht auf Summers Glade sein?«
»Wie sich herausgestellt hat, heiraten Duncan und Sabrina erst in einigen Wochen. Sabrinas Tanten bestehen auf einer ordentlichen Hochzeit, für die natürlich eine gewisse Vorlaufzeit nötig ist. Und da ich weiß, wie ungeduldig Duncan sein kann, habe ich beschlossen, ihm aus dem Weg zu gehen, und bin schnurstracks nach London zurückgekehrt.«
»Schade, dass du das nicht schon vor meiner Abreise herausgefunden hast.«
»Stimmt. Das ist auch der Grund, warum ich heute kein Mittagessen hatte. Ich dachte, ich hätte noch eine Chance, dich abzufangen, aber ich wusste ja nicht, in welchem Gasthaus du übernachten würdest.«
»Es überrascht mich dennoch, dich hier zu sehen... dass du die Einladung meiner Mutter angenommen hast. Ich hätte schwören können, dass du in keiner Weise mit mir in Verbindung gebracht werden möchtest.«
»Meine heutige Anwesenheit bringt mich nicht zwangsläufig mit dir in Verbindung, meine Liebe. Außerdem habe ich gar keine Einladung erhalten, sondern bin vorbeigekommen, um mich nach deinem Wohlbefinden zu erkundigen.«
»Wie aufmerksam von dir.«
»Manchmal kann ich den Samariter in mir eben nicht unterdrücken«, sagte er lächelnd und aß ein wenig. »Davon abgesehen«,
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