Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
etwas nicht mit ihrem Kleid oder ihrer Frisur? «
»Ich rede von dir, du Holzkopf! Du bist jetzt verheiratet. Die Wahl deiner Garderobe sollte das reflektieren und... «
»Eine Ehe hat nichts mit Geschmack zu tun, Mutter«, fiel Rupert ihr ins Wort. »Das heißt, bei der Wahl der Ehefrau trifft das schon zu, aber wenn es um die eigene Garderobe geht, muss ich dir leider widersprechen. Bist du so weit, mein Schatz? «
Im selben Moment legte er seinen Arm um Rebecca und führte sie aus dem Salon. Das Einzige, woran Rebecca in diesem Augenblick denken konnte, war seine Hand, die auf ihrem Becken ruhte.
So leicht wollte Julie sich jedoch nicht geschlagen geben und rief den beiden mit lauter Stimme hinterher: »Such dir endlich einen neuen Schneider! Deine hübsche Gemahlin schämt sich bestimmt in Grund und Boden! «
Rebecca verkniff es sich, Rupert anzusehen, um sich zu vergewissern, wie er auf die Bemerkung reagierte. Vielleicht führte er sie ja auf einen Kostümball aus und hatte nur deshalb kein Wort darüber verloren, weil es ihm zu riskant war, dass seine Ehefrau sich wieder einmal als Mann verkleidete. Ein Wort hätte doch genügt. Sie hatte sich in der Zwischenzeit nämlich einen kleinen Fundus an salonfähigen Kostümen zugelegt.
Vor der Tür wartete bereits die Kutsche. Kaum hatte Matthew die Tür geschlossen, wurde Rebecca, die Rupert gegenübersaß, Zeugin einer wundersamen Verwandlung.
Er streifte den grässlichen Gehrock ab und legte ihn neben sich. Erst jetzt erkannte sie, dass die viele Spitze an den Ärmeln gar nicht zu seinem Hemd gehörte. Er hatte sie sich lediglich um die Handgelenke gebunden. Dann ging es der übertriebenen Rüschenhalsbinde an den Kragen. Zum Vorschein kam eine modische und wesentlich schmalere Halsbinde. Als er damit fertig war, erhob er sich, klappte die Sitzfläche nach oben, holte einen nachtblauen Gehrock mit schwarzen Paspeln hervor und verstaute die abgelegten Kleidungsstücke unter der Bank.
Rebecca hatte begriffen - zumindest nahm sie das an. Konnte es sein, dass seine Kostümierung lediglich für seine Mutter inszeniert war? Dass er ihr damit einen Schrecken hatte einjagen wollen? Erst jetzt ging ihr auf, dass Julie die Einzige war, die sich regelmäßig über sein äußeres Erscheinungsbild echauffierte. Die Frage war nur, warum Rupert seine Mutter ärgerte. Auf der anderen Seite hatte Rebecca schon so manches Mal beobachtet, wie schnell Julie auf die Barrikaden ging, wenn ihr Sohn etwas sagte, womit sie nicht d’accord ging. Konnte es womöglich sein, dass er sich mit Absicht so provokant verhielt? Vielleicht aus einer Laune heraus? Julie schien ihn auf jeden Fall sehr ernst zu nehmen.
Als Ruperts Verwandlung abgeschlossen war, sah er Rebecca an und fragte: »Und, hast du dich für mich in Grund und Boden geschämt? «
Ja, das hatte sie, aber sie hatte nicht vor, es ihm auf die Nase zu binden. »Nein, ich nahm an, wir würden auf einen Kostümball gehen und dass es dir einfach entfallen ist, mich davon in Kenntnis zu setzen. Was treibt dich eigentlich dazu, deiner armen Frau Mama so übel zuzusetzen? «
»Purer Edelmut. « Rebecca hatte keine Ahnung, wovon Rupert sprach, bis er hinzufügte: »Es gibt ihrem Leben einen tieferen Sinn, wenn sie denkt, meine Erziehung sei noch nicht abgeschlossen. Aber seit einiger Zeit denke ich darüber nach, die Fopperei einzustellen. Es wird nämlich immer schwieriger, sie auf die Palme zu bringen, weil sie im Grunde hochzufrieden mit mir ist. «
Rebecca konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als wäre er mit jeder Silbe wütender geworden. Als wäre er gleichzeitig verlegen, zupfte er an seinen Ärmeln und strich sich über das Revers. Jetzt endlich verstand sie Amandas Andeutung, Tante Julie wäre nicht von Natur aus schroff!
»Julie ist erst im Laufe der Zeit so geworden«, hatte Amanda ihr erklärt. »Sie hatte das Gefühl, ihre sanftere Seite für die Erziehung ihrer Söhne opfern zu müssen, wollte sowohl Mutter als auch Vater in einem sein. Eine extreme Form der Metamorphose, was von den meisten Familienmitgliedern als amüsant empfunden wurde. Alle Versuche, ihr auszureden, den Vater mimen zu wollen, scheiterten. Starrhalsigkeit liegt nämlich in der Familie. «
Rebecca merkte, wie ein eigenartiges Gefühl sie beschlich, das Julies Ältestem galt. Es war beinahe liebenswürdig, dass er sich so viel Mühe gab, seiner Mutter das Gefühl zu vermitteln, dass sie gebraucht wurde. Ergriffen sagte sie: »Wir können
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