Reif für die Insel
Rücken. Aber darüber darf ich mich nicht beklagen. Tonia kann wirklich nicht damit rechnen, dass ich heute ein längeres Gespräch mit ihr führen will.
»Ihr Mann hat ja nun Unterstützung!«, füge ich listig an und sehe zu Raffael Sielmann hinüber, der den Blick nicht von seinem Laptop nimmt. Ich bin sehr zufrieden mit mir. Habe ich das Gespräch nicht geschickt in die Richtung gelenkt, in der ich es haben will? Elena hätte das nicht besser hingekriegt!
Tonia Gefron fährt erneut in die Höhe, und diesmal vergisst sie die Gartenerde an ihren Gummihandschuhen. Als ihre Haarsträhne für ein paar Augenblicke hinter dem Ohr sitzt, sieht sie aus wie ein Bergarbeiter, der stundenlang unter Tage geschuftet hat. »Raffael soll meinen Mann nicht bei der Gartenarbeit unterstützen, sondern seinen Roman zu Ende schreiben. Ich will ihn im nächsten Frühjahrsprogramm haben. Aber bei dem Stress, den er mit seiner Frau hat, bringt er zu Hause kein vernünftiges Wort zu Papier.«
»Er ist verheiratet?« Ich merke kaum, dass ich nun sehr dicht am Zaun stehe und die Hände auf seine Spitzen lege.
Tonia, die schon wieder zwischen den Büschen verschwunden ist, scheint endlich zu merken, dass ich nicht |84| abzuschütteln bin. Sie taucht wieder auf, lässt die Haarsträhne diesmal mittels einer heftigen, weit ausholenden Kopfbewegung verschwinden und nimmt zu meiner Freude eine bequeme Körperhaltung ein. »Rosi ist selber schuld«, sagt sie, »wenn Raffael es nicht bei ihr aushält. Eifersüchtige Frauen sind unerträglich.«
Das hat Georg auch einmal zu mir gesagt. Und Elena hat ihm sogar recht gegeben. Nie zuvor hat sie sich mit Georg gegen mich verbündet, aber als ich auf die junge Frau eifersüchtig war, hat sie mich angebrüllt, ich solle nicht jammern, sondern handeln. Ich hab’s ja auch getan, ich habe gehandelt. Das Ergebnis steht hinter mir: ein eigenes Ferienhaus auf Sylt!
Trotzdem gefällt mir das Thema nicht. »Was ich eigentlich sagen wollte, Tonia … Ich habe gehört, dass David Davidson nicht länger der ›Autor ohne Gesicht‹ sein will. Herzlichen Glückwunsch! Das wird bestimmt viel Aufsehen erregen.«
Tonia wirft die kurzstielige Hacke in den gelben Eimer, der zur Hälfte mit Unkraut gefüllt ist. »Todsicher«, sagt sie zufrieden. »Die Presse rennt mir seit Tagen die Bude ein. Seit der Verlag bekanntgegeben hat, dass Davidson endlich sein Inkognito lüften will. Schade, dass er nicht mit einer langen Werbekampagne einverstanden war, dann hätte ich die Sache noch größer aufziehen können. Aber er wollte den Rahmen so klein wie möglich halten.« Tonia lacht in so kurzen Stößen, als wollte sie sich die Zeit zum Lachen eigentlich nicht nehmen. »Kleiner Rahmen! Wie er sich das vorstellt! Es wird trotzdem einen großen Rummel geben.« |85| Sie schüttelt den Kopf und greift sich verwundert an die Stirn, von der sich die mittlerweile getrocknete Gartenerde gelöst hat und herabrieselt. »Er wird anschließend bekannt sein wie ein bunter Hund, und die Verkaufszahlen werden gigantisch!«
»Was ist er eigentlich für ein Typ?« Ich frage so leutselig, als könnte ich glauben, dass Tonia darauf hereinfällt.
Natürlich tut sie es nicht. Ihr linkes Auge blitzt mich spöttisch an. »Sie werden es morgen Abend ja sehen. Um acht im Alten Kursaal in Westerland.«
Glaubt sie etwa, ich ließe mich von ihr zur Neugierigen stempeln? Da ist sie aber schiefgewickelt! Ein gleichgültiges Schulterzucken, mehr bekommt sie von mir nicht zu sehen. »Ist er wenigstens ein attraktiver Typ?«, frage ich, als interessierte mich ihre Antwort nur am Rande.
Tonia lächelt geheimnisvoll. »Sie können sich auf ihn freuen. Groß, schlank, dunkelhaarig, gut aussehend! Auch im Alter ist er genau richtig für uns.«
Für uns? Ich danke ihr mit einem Lächeln, das nicht ganz so gleichgültig ausfällt, wie es sollte. Schließlich weiß ich, dass Tonia Gefron mindestens fünf Jahre jünger ist als ich.
»Jetzt muss ich aber …« Tonia hat sich für ihren Geschmack viel zu lange einem Gespräch gewidmet, das sie beruflich nicht weiterbringt und später auf keiner To-do-Liste abgehakt werden kann. Sie streicht sich ein letztes Mal die Haarsträhne aus dem Gesicht, greift nach dem Eimer und geht zu ihrem Mann, der sich gerade über Raffael Sielmanns Arbeit beugt. Ich höre ihre wütende Stimme, als sie Johnny darauf hinweist, dass sein Lektorat nicht erwünscht |86| ist. Dann läuft sie ins Haus, wo sich mit großer
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