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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Kapitel
     
    Ohne großartig was zu unternehmen, verbrachte ich noch ein paar Tage in London. Ich forschte ein wenig in einer Zeitungsbibliothek, versuchte einen halben Nachmittag lang, mich durch das komplizierte Geflecht der Fußgängertunnels von Marble Arch zu wühlen, tätigte einige kleinere Einkäufe und besuchte ein paar Freunde.
    Und alle sagten: »Meine Güte, du hast aber Mut!«, wenn ich ihnen enthüllte, daß ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Großbritannien zu reisen gedachte. Mir hingegen wäre nie etwas anderes in den Sinn gekommen. Die Leute in diesem Land haben Glück, daß sie ein so relativ gutes, öffentliches Verkehrssystem haben (»relativ« heißt, verglichen mit dem, was die Tories davon übriglassen werden), und ich meine, wir sollten uns alle mehr Mühe geben, es zu genießen, solange es noch da ist. Außerdem ist Autofahren in Großbritannien auch nicht mehr, was es mal war. Es sind viel zu viele Autos auf den Straßen, fast doppelt soviel wie damals, als ich hierherkam. Und da fuhren die Leute ihre Autos ja eigentlich auch gar nicht. Sie parkten sie in der Einfahrt und wienerten sie einmal in der Woche gründlich ab. Etwa zweimal im Jahr »brachten sie das Auto raus«. So drückten sie sich aus, als sei das schon ein größeres Unterfangen. Sie tuckerten los, um Verwandte in East Grinstead zu besuchen oder einen Ausflug nach Hayling Island oder Eastbourne zu machen, und das war’s schon, außer dem Wienern natürlich.
    Jetzt fährt jeder wegen jedem überallhin, was ich nicht verstehe, denn es macht in absolut keiner Hinsicht mehr Spaß. Denken Sie doch nur mal an das durchschnittliche, mehrstöckige britische Parkhaus. Man fahrt Ewigkeiten herum und braucht dann eine weitere kleine Ewigkeit, bis man sich auf einen Parkplatz manövriert hat, der exakt fünf Zentimeter breiter ist als ein normaler PKW. Weil man aber neben einer Säule parkt, muß man beim Aussteigen über die Sitze klettern, und das endet damit, daß man sich mit dem Hintern zuerst durch die Beifahrertür quetscht und dabei den ganzen Schmutz von der Seite des Autos hinten auf das schicke neue Jackett von Marks & Spencer schmiert. Dann geht man auf die Jagd nach einem weit entfernten Parkscheinautomaten, der weder Wechselgeld herausgibt, noch Münzen annimmt, die später als 1976 in Umlauf gebracht worden sind, und muß dort auf einen alten Knacker warten, der gemächlich die Benutzerhinweise auf dem Automaten studiert, bevor er sich auf was einläßt, und dann versucht, sein Geld in den Schlitz, aus dem die Scheine kommen, oder in das Schlüsselloch zum Aufschließen des Apparats zu stecken.
    Endlich hat man einen Parkschein erworben und schleppt sich zurück zum Auto, um ihn an den Scheibenwischer zu klemmen. Die Gattin begrüßt einen mit den Worten: »Wo bist du denn gewesen?« Aber man ignoriert sie, quetscht sich wieder an der Säule vorbei, holt sich eine passende Ladung Schmutz fürs Vorderteil des Jacketts und stellt fest, daß man nicht an die Windschutzscheibe kommt, weil die Tür sich nur sieben Zentimeter öffnen läßt. Also wirft man den Schein auf das Armaturenbrett (er flattert zu Boden, doch da die Gemahlin es nicht sieht, sagte man: »Leck mich« und verriegelt die Tür) und quält sich wieder an der Säule vorbei ins Freie, wo besagte Dame nun allerdings sieht, in was für einen Dreckspatz man sich verwandelt hat, obwohl sie soviel Zeit investiert hat, einen ordentlich anzuziehen. Energisch klopft sie einem den Schmutz ab und sagt ein ums andere Mal: »Ehrlich, mit dir kann man nirgendwo hingehen.«
    Und das ist erst der Anfang. Insgeheim hadernd, muß man nun zusehen, wie man aus diesem feuchten Rattenloch herauskommt. Das geht entweder durch eine nicht gekennzeichnete Tür zu einer komischen Kammer, halb Verlies, halb Pissoir, oder man muß zwei Stunden auf den malträtiertesten, klapprigsten Aufzug der Welt warten, der nur zwei Leute transportiert und schon voll besetzt ist – einen Mann, dessen Frau ihm gerade energisch den Schmutz von seinem neuen Marks & Spencer-Jackett klopft.
    Und das Bemerkenswerte daran ist, daß dieses Ritual in allen Einzelheiten absichtlich – ich wiederhole, absichtlich – erdacht ist, um einem das Leben zu vermiesen. Angefangen bei den winzigen Parkplätzen, in die man nur hineinkommt, wenn man sechsundvierzigmal vor- und zurückfahrt (Himmel, Herrgott, warum können die Plätze nicht schräg sein!), bis zu den Säulen, die mit Bedacht dorthin plaziert

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