Reif für die Insel
Morgenhygiene in einem Zustand leichter Erregung, weil ich einen großen Tag vor mir hatte. Ich wollte durch den Windsor Great Park gehen. Es ist der herrlichste Park, den ich kenne. Er erstreckt sich über vierzig hinreißende Quadratmeilen und vereinigt in seiner jahrhundertealten Anlage alle erdenklichen landschaftlichen Reize: tiefe Wälder, enge Buschtäler, gewundene Fuß- und Reitwege, symmetrisch angelegte und wildromantische Gärten und einen langen, wunderschönen See. Malerisch verstreut liegen Farmen, Waldhütten, einsame Statuen, ja ein ganzes Dorf, in dem die im Park Arbeitenden wohnen, sowie Dinge, die die Queen von Auslandsreisen mitgebracht hat (und dann nicht wußte, wohin damit) – Obelisken und Totempfähle und andere komische Dankesbeweise aus weit entfernten Außenposten des Commenwealth.
Die Nachricht, daß Öl unter dem Park und dieses Arkadien gefährdet war, war noch nicht durchgesickert. (Aber keine Bange, die örtlichen Behörden werden schon dafür sorgen, daß die Bohrtürme mit Gestrüpp getarnt werden.) Ich wußte also nicht, daß ich mir alles noch einmal gründlich anschauen sollte für den Fall, daß es hier bei meinem nächsten Besuch wie auf einem Ölfeld in Oklahoma zuging. Windsor Great Park befand sich glücklicherweise wie eh und je in Vergessenheit, was ich bei einem so herrlichen, freien Gelände direkt am Rande Londons nicht recht verstehe. Soweit ich mich erinnere, ist der Park einmal, vor ein paar Jahren, in der Zeitung erwähnt worden. Da wurde Prinz Philip jäh von einer seltsamen Abneigung gegen eine Allee mit uralten Bäumen ergriffen, und er instruierte die Baumfäller Ihrer Majestät, sie zu entfernen.
Ich nehme an, die Äste hatten die Durchfahrt seiner Pferdekalesche gefährdet, oder wie immer diese fahrbaren Untersätze heißen, in denen er so gern durch die Gegend saust. Wie oft sieht man, wie er und die anderen Mitglieder der königlichen Familie in den verschiedensten Vehikeln durch den Park flitzen, unterwegs zu einem Polospiel oder zum Gottesdienst im Privatgehege der Königinmutter, der Royal Lodge. Da die Parkstraßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt sind, wird tatsächlich ein beträchtlicher Anteil des bißchen Verkehrs, der sich dort abspielt, von den Royals bestritten. Als ich an einem ersten Weihnachtstag einmal, ganz der fürsorgliche Vater, neben meinem Sprößling, der ein nagelneues Dreirad fuhr, dort herspazierte, spürte ich plötzlich mit einer Art sechstem Sinn, daß wir das Fortkommen eines Personenkraftwagens behinderten, und als ich mich umdrehte, sah ich Prinzessin Diana am Steuer. Als ich in gebotener Eile mich und mein Kind aus dem Weg schob, schenkte sie mir ein Lächeln, das mein Herz zum Schmelzen brachte, und seitdem habe ich nie ein Wort gegen dieses liebe, süße Mädel gesagt, sosehr mich auch diejenigen unter Druck setzten, die sie für ein bißchen plemplem halten, weil sie 28000 Pfund im Jahr für Gymnastikanzüge ausgibt und gelegentlich wunderliche Anrufe bei spacken Militärs macht.
Ich schlenderte den mit Recht so genannten Long Walk entlang. Er führt von Windsor Castle zum Gipfel des Snow Hill, genauer, dem Reiterstandbild George III., unter den Ortsansässigen als Copper Horse bekannt, an dessen Sockel ich Rast machte und eine der schönsten Ansichten Englands genoß: Drei Meilen entfernt am anderen Ende des Long Walk breiteten sich Windsor Castle aus, die Stadt zu seinen Füßen, und dahinter Eton, das neblige Tal der Themse und die niedrigen Chiltern Hills. Auf einer Lichtung unter mir graste Rotwild in pittoresken Herden, und hier und dort liefen Frühmorgenspaziergänger über die lange Allee, die von meinen gespreizten Füßen eingerahmt wurde. Ich beobachtete, wie in Heathrow die Flugzeuge starteten, und entdeckte am Horizont die schwach erkennbaren Silhouetten des Kraftwerks in Battersea und des Post Office Tower. Ich weiß noch, wie aufregend ich es früher immer fand, daß ich London von so weit weg sehen konnte. Meines Wissens ist das nur von hier aus möglich. Heinrich VIII. ritt zu diesem Gipfel, um zu hören, wie die Kanonen die Exekution Anne Boleyns verkündeten, aber ich hörte jetzt nur, wie die Verkehrsflugzeuge brummend zum Landeanflug ansetzten und es plötzlich schrecklich neben meinem Ellenbogen bellte. Ein großer, zottiger Hund, dessen Herrchen ihm hügelan folgte, bot mir eine kapitale Spuckekostprobe an, die ich freilich dankbar ablehnte.
Ich ging durch den Park, an der Royal Lodge,
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