Reif für die Insel
werden, wo sie ein maximales Hindernis bilden, den Fahrrampen, die so dunkel, eng und schlecht geschnitten sind, daß man immer gegen den Bordstein knallt, und den weit entfernten und vorsätzlich unpraktischen Parkscheinautomaten (man kann mir nicht erzählen, daß ein Automat, der jede je geprägte fremde Münze erkennt und nicht annimmt, nicht auch Wechselgeld herausgeben könnte, wenn er nur wollte). All das ist ersonnen, um das Ganze zur deprimierendsten Erfahrung im Leben eines erwachsenen Menschen zu machen. Wußten Sie – es ist eine wenig bekannte Tatsache, aber absolut wahr –, daß der Herr Bürgermeister und seine Gattin immer dann, wenn sie ein neues Parkhaus einweihen, einmal feierlich in den Treppenaufgang pinkeln? Ehrlich, das stimmt.
Und das ist nur ein klitzekleiner Teil des Abenteuers Autofahren in England. Es gibt noch reichlich andere vielfältige Ärgernisse wie National-Express-Busfahrer, die auf Autobahnen immer vor einem die Spur wechseln, acht Meilen lange Baustellen mit Gegenverkehr, wo dann doch nur ein paar Typen auf einem Kranwagen eine Glühbirne austauschen, Ampeln an vielbefahrenen Kreisverkehren, die einen nie mehr als sechs Meter auf einmal weiterlassen, Autobahnraststätten, in denen man für eine Minikanne Kaffee und eine Backkartoffel mit einem Krümelchen Cheddar 4,20 Pfund blecht und deren Läden sinn- und zwecklos sind, weil die Herrenmagazine alle in Plastik eingeschweißt sind und man auch keine Kassetten mit Waylon Jennings’ Highway-Hits braucht. Ja, und dann noch die Volltrottel, die mit ihren Wohnwagen just in dem Moment aus Nebenstraßen einbiegen, wenn man selbst sich nähert, oder der alte Knacker im Morris Minor, der mit fünfzehn Stundenkilometern durch den Lake District fährt und ein Fünfkilometer-Gefolge hinter sich sammelt, weil er offenbar schon immer mal eine Parade anführen wollte, und jede Menge anderes, was Geduld und Verstand weit über das erträgliche Maß hinaus auf die Probe stellt. Motorisierte Fahrzeuge sind häßlich und schmutzig und bringen das Schlimmste im Menschen heraus. Sie verstopfen die Bürgersteige, verwandeln altehrwürdige Marktplätze in Sammelstellen für Altmetall und sorgen überall dafür, daß Tankstellen, Gebrauchtwagenhöfe und andere deprimierende Schandflecke der Zivilisation entstehen. Sie sind schrecklich, fürchterlich, und auf dieser Reise wollte ich nichts damit zu tun haben. Außerdem wollte meine Frau mir das Auto nicht geben.
So geschah es, daß ich mich an einem späten, grauen Samstagnachmittag in einem außergewöhnlich langen und leeren Zug nach Windsor wiederfand. Ich thronte auf einem Platz in einem leeren Waggon und sah im schwindenden Tageslicht, wie der Zug an Bürobauten und dann durch den Mietskasernendschungel und die ellenlangen Häuserreihen von Vauxhall und Clapham glitt. In Twickenham begriff ich, warum er so lang und leer war. Da war der Bahnsteig nämlich rappelvoll mit Männern und Jungs in warmen Klamotten und Schals, mit Hochglanzprogrammheften und kleinen Beuteln, aus denen ihre Thermosflaschen mit Tee herausschauten: Zuschauer vom Rugby-Platz in Twickenham. Ruhig und ohne zu schubsen, stiegen sie ein und entschuldigten sich, wenn sie mit jemandem zusammenstießen oder ihm versehentlich zu nahe kamen. Diese instinktive Rücksichtnahme aufeinander bewunderte ich, und es ging mir wieder mal auf, wie normal das in Großbritannien ist und wie selten man es bemerkt. Fast alle fuhren bis Windsor – dort gab es wahrscheinlich eine Park-and-Ride-Möglichkeit, denn so viele Rugbyfans kann es in Windsor ja nun nicht geben – und drängten sich geduldig vor der Fahrkartensperre am Ausgang. Ein Asiate sammelte mit raschen Bewegungen die Fahrkarten ein und sagte jedem Menschen, der an ihm vorbeiging, Dankeschön. Er hatte nicht die Zeit, die Fahrkarten zu überprüfen – man hätte ihm den Deckel einer Cornflakesschachtel geben können, aber er schaffte es, jedem einen herzlichen Gruß zu entbieten, und sie bedankten sich ihrerseits bei ihm, daß er sie von ihren Fahrkarten befreite und durchgehen ließ. Es war ein kleines Wunder an Organisiertheit und gutem Willen. Überall sonst hätte jemand auf einer Kiste gestanden und die Leute angeblafft, sie sollten sich hintereinander aufstellen und nicht drängeln.
Die Straßen Windsors glänzten im Regen und waren für diese Jahreszeit ungewöhnlich dunkel und winterlich, aber immer noch voller Touristen. Ich bekam ein Zimmer im Castle Hotel in der
Weitere Kostenlose Bücher