Reif für die Insel
schöner Ausflug ist, wenn man mit seinem Ehegespons Tapeten aussucht, Wein aus etwas anderem als Weintrauben, ungeheizte Schlaf- und Badezimmer, Seaside Rock, Windschutzplanen an einem Strand aufzustellen (warum, ich bitte Sie, sind Sie dort, wenn Sie einen Windschutz brauchen?) und sich für Nachwahlen zu interessieren. Und vielleicht noch ein, zwei andere Attraktionen, die mir im Augenblick nicht einfallen.
Ich behaupte ja nicht, daß diese Dinge schlecht oder langweilig oder doof sind, sondern nur, daß ihr Nutzen und Reiz sich mir im Grunde bis jetzt entziehen. Mit aller gebotenen Vorsicht möchte ich dieser Kategorie auch Oxford hinzufügen.
Ich habe den größten Respekt für die Universität und ihre 800 Jahre unermüdlichen intellektuellen Ackerns, aber ich muß gestehen, daß mir nicht ganz klar ist, wozu das heutzutage noch gut ist, da Großbritannien keine Kolonialbeamten mehr braucht, die geistreiche Sprüche in Latein vom Stapel lassen können. Will sagen: Ich sehe in Oxford all diese Dozenten und Scholaren vorbeischreiten, tief in Diskussionen über die Kontroverse zwischen Leibniz und Clarke oder die postkantianische Ästhetik versunken, und denke: Sehr beeindruckend, aber einen Hauch luxurierend in einem Land, das drei Millionen Arbeitslose und als letzte große Erfindung Rückstrahler, »Katzenaugen«, vorzuweisen hat. Erst am Vorabend war in den News at Ten ein Beitrag gewesen, in dem freudestrahlend verkündet wurde, daß die Firma Samsung eine neue Fabrik in Tyneside baute mit Jobs für 800 Leute, die bereit waren, orangefarbene Overalls zu tragen und jeden Morgen eine halbe Stunde T’ai Chi zu machen. Nennen Sie mich einen unverbesserlichen Banausen, aber mir scheint – und das Argument gebe ich in aller Freundschaft zu bedenken –, wenn die industrielle Potenz einer Nation so nachgelassen hat, daß sie sich zur ökonomischen Absicherung ihrer Zukunft auf koreanische Firmen verlassen muß, wird es vielleicht Zeit, daß sie ihre bildungspolitischen Prioritäten revaluiert und vielleicht den einen oder anderen Gedanken daran verschwendet, wie sie im Jahre 2010 das Essen auf den Tisch bringt.
Vor Jahren habe ich einmal im Fernsehen ein Quiz zwischen einem britischen und einem amerikanischen Gelehrtenteam gesehen. Die Briten gewannen so mühelos, daß es dem Moderator und den Zuschauern im Studio zutiefst und spürbar peinlich war. Eine überwältigende Demonstration intellektueller Überlegenheit! Die Schlußpunktzahl war so in der Gegend von 12000 zu 2. Aber aufgepaßt, jetzt kommt’s! Wenn Sie heute die Wettbewerbsteilnehmer aufspüren würden, um zu sehen, was aus ihnen geworden ist, würden Sie sicherlich feststellen, daß die Amerikaner Aktien verkaufen oder Konzerne leiten und 350000 Dollar im Jahr verdienen, während die Briten die Tonalität der Chormusik des sechzehnten Jahrhunderts in Niederschlesien studieren und Pullover mit Löchern tragen.
Aber keine Bange. Oxford ist seit dem Mittelalter von überragender Bedeutung und wird es auch bleiben, lange nachdem es die University of Oxford (Sony UK) Ltd. geworden ist. Denn die Universität ist schon unendlich viel geschäftstüchtiger geworden.
Zur Zeit meines Besuches beendete sie gerade eine erfolgreiche Fünfjahreskampagne, in der sie eindrucksolle 340 Millionen Pfund aufgetrieben und den Nutzen von Firmensponsoring erkannt hatte. Wenn man sich das Vorlesungsverzeichnis anschaut, findet man es übersät mit Eintragungen wie »Der Shredded-Wheat (Neu! Ohne Zusatz von Zucker und Salz!)-Lehrstuhl für Östliche Philosophie« oder »Harris-Carpets (Warum mehr bezahlen? Tausende Rollen auf Lager zu Dauerniedrigpreisen!)-Fachbereich-Betriebswirtschaft«.
Die Praxis des Firmensponsoring scheint sich allgemein in den letzten Jahren in das britische Leben geschlichen zu haben, ohne daß man große Worte darüber verliert. Es gibt nun die Canon League, den Coca-Cola-Cup und das Ever-Ready-Derby. Der Tag ist nicht mehr weit, dann haben wir die Kellogg’s-Pop-Tart-Queen Mother, den Mitsubishi-Corporation-Proudly-Presents-Regents-Park und Samsung City (früher Newcastle).
Aber ich schweife ab. Und meckere ja auch gar nicht darüber, wie Oxford seine Geldmittel auftreibt oder seine Studenten ausbildet, sondern darüber, daß es so häßlich ist. Kommen Sie mit mir zur Merton Street, und ich zeige Ihnen, was ich meine. Und während wir hinten am Christ Church College entlangschlendern, achten Sie auf die harmonischen Formen des Corpus
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