Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
ein Glas getrunken, aber dann begriff ich noch rechtzeitig, daß es Blähungen verhindern sollte. Komische Idee.
    Ich schaute mich im Museum um und ging an dem alten Swan Hotel vorbei, in dem Agatha Christie Zuflucht suchte und sich versteckt hielt, als sie entdeckte, daß ihr Mann, der fiese Schuft, fremdging. Dann wanderte ich die Montpellier Parade hinauf, eine sehr hübsche Straße voll wahnsinnig teurer Antiquitätenläden. Ich inspizierte das über zwanzig Meter hohe Kriegerdenkmal und machte einen langen, angenehm ziellosen Spaziergang durch den Stray und dachte, wie schön es sein müßte, in einem der großen Häuser zu wohnen, die auf den Park hinabschauen, und immer zu den Läden laufen zu können.
    Man würde doch nie auf die Idee kommen, daß eine so blühende, gutbürgerliche Stadt wie Harrogate im selben Teil des Landes liegt wie Bradford oder Bolton, aber das ist natürlich die andere Seite an Nordengland – es hat diese Nischen immensen Wohlstands wie Harrogate und Ilkley, die sogar noch reicher sind als ihre Pendants im Süden. Wenn Sie mich fragen, dadurch wird die Gegend viel interessanter.
    Im schwindenden Nachmittagslicht begab ich mich schließlich ins Einkaufsviertel, wo ich mich am Kopf kratzte und mit schon an Panik grenzendem Schrecken merkte, daß ich nicht den blassesten Dunst hatte, wo oder wann ich mit meiner besseren Hälfte verabredet war. Als ich dastand und glotzte wie Stan Laurel, als er sich umdreht und feststellt, daß das Klavier, auf das er aufpassen muß, mit dem strampelnden Ollie oben drauf einen steilen Abhang hinunterrollt, kam wie durch ein Wunder meine Frau auf mich zu.
    »Hallo, Liebling!« sagte sie fröhlich. »Ich muß sagen, ich hätte nie gedacht, daß du hier wirklich auf mich warten würdest.«
    »Also, ich bitte dich! Traust du mir denn gar nichts zu? Ich bin seit einer Ewigkeit hier.«
    Und Arm in Arm liefen wir in den winterlichen Sonnenuntergang.
     

Achtzehntes Kapitel
     
    Mit dem Zug fuhr ich nach Leeds und von dort nach Manchester – eine lange, gemächliche, nicht unangenehme Fahrt durch steile Täler, die dem Tal, in dem ich wohnte, sehr ähnlich waren; nur daß in diesen überall alte Fabriken und rußgeschwärzte, dicht gedrängte Dörfer standen. Es gab drei Typen von alten Fabriken: 1. Verfallene mit zerbrochenen Fenstern und zu VERMIETEN-Schildern. 2. Verschwundene, das heißt, kahle, leere Stellen. 3. Nichts produzierende wie Büros von Kurierdiensten oder Doit-Yourself-Baumärkte und dergleichen. Ich muß an Hunderten solcher alten Fabriken vorbeigefahren sein, aber erst, als wir schon mitten in den Vororten Manchesters waren, sah ich eine, die noch damit beschäftigt war, etwas herzustellen.
    Da ich spät zu Hause abgefahren war, war es schon vier Uhr und wurde langsam dunkel, als ich aus Piccadilly Station heraustrat. Die Straßen glänzten im Regen, es herrschte lebhafter Verkehr, und die Menschenmassen hasteten vorbei, was Manchester eine attraktive Großstadtatmosphäre verlieh. Aus einem total hirnrissigen Grund hatte ich ein Zimmer in einem teuren Hotel, dem Piccadilly, gebucht. Es war im elften Stock, doch wenn man hinausschaute, meinte man, im fünfundachzigsten zu stehen. Hätte meine Frau eine Leuchtrakete und Lust gehabt, aufs Dach zu steigen, hätte ich sie sogar gesehen. Manchester kam mir riesengroß vor – eine unendliche Stadtlandschaft mit trüben gelben Lampen und sich langsam durch die Straßen wälzendem Verkehr.
    Ich spielte am Fernseher herum, konfiszierte das Briefpapier und das zweite Stückchen Seife und steckte ein Paar Hosen in die Hosenpresse, obwohl ich wußte, daß meine Beinkleider an den komischsten Stellen plissiert herauskommen würden. (Liegt es an mir, oder sind diese Apparaturen total widersinnig?) Bei dem Preis war ich wild entschlossen, meinen Aufenthalt weidlich auszu-nutzen. Als ich alles erledigt hatte, spazierte ich los und suchte mir was zum Essen.
    Bei Speiselokalen und mir verläuft etwas umgekehrt proportional – je mehr es gibt, desto weniger finde ich eines, das auch nur im geringsten meinen moderaten Bedürfnissen entspricht. Im Grunde suchte ich ein kleines italienisches Ecklokal – mit karierten Tischdecken und Kerzen auf Chiantiflaschen und netter Fünfziger-Jahre-Atmosphäre. Die gab’s in britischen Großstädten immer zuhauf, aber jetzt sind sie nur noch verteufelt schwer zu finden. Ich lief und lief und fand nur entweder diese landesweiten Ketten-Läden mit großen

Weitere Kostenlose Bücher