Reif für die Insel
Sonnenlicht überaus reizenden Uferweg entlang. David erzählte mir, daß früher hier eine Fabrik war, in der Fette ausgeschmolzen wurden. Es stank immer bestialisch, und das Wasser hatte eine schrecklich rostrot-cremige Farbe und eine Haut aus schaumigem Schmier. Nun funkelte der Fluß grün und sah gesund aus, der Ort schien völlig unberührt von Zeit und industrieller Revolution. Die alte Fabrik war ordentlich abgeschrubbt und ausgeweidet und in ein Mietshaus mit schicken Wohnungen verwandelt worden. Wir gingen zu einer Stelle hoch, die Five-Rise-Locks heißt und wo der Kanal von Leeds nach Liverpool in fünf schnellen Stufen etwa dreißig Meter angehoben wird. Von dort schauten wir uns die kaputten Fenster hinter der Stacheldrahtumzäunung von French’s Mill an. Als wir dann zu der Auffassung kamen, daß wir mehr oder weniger erschöpft hatten, was Bingley zu offerieren hatte, eilten wir in ein gemütliches Pub namens Old White Horse und tranken ganz viel Bier, was wir sowieso die ganze Zeit vorgehabt hatten.
Am nächstenTag ging ich mit meiner Frau in Harrogate einkaufen – das heißt, ich schaute mich in Harrogate um, während sie einkaufen ging. Meiner Ansicht nach sollten Männer und Frauen nicht gemeinsam einkaufen, weil die Männer eigentlich immer nur was Lautes wie einen Bohrer kaufen, damit nach Hause gehen und spielen wollen, und die Frauen nicht eher zufrieden sind, als bis sie so ungefähr alles in der Stadt gesehen und mindestens 1500 verschiedene Materialien angefaßt haben. Gibt es eigentlich nur mir Rätsel auf, daß Frauen geradezu zwanghaft besessen sind, in Läden Dinge anzufassen? Viele Male habe ich erlebt, daß meine Frau Umwege von zwanzig, dreißig Metern auf sich genommen hat, um etwas zu betasten – einen Mohairpullover oder ein Veloursamtbettjäckchen oder sonst etwas.
»Gefällt dir das?« frage ich dann überrascht, weil es überhaupt nicht ihr Stil ist. Sie schaut mich an, als sei ich von Sinnen.
»Das?« sagt sie. »Nein, es ist potthäßlich.«
»Warum, um alles in der Welt«, will ich dann immer sagen, »bist du denn den ganzen Weg hierhergelaufen, um es zu berühren?« Aber wie alle langjährigen Ehemänner habe ich gelernt, beim Einkaufen zu schweigen, denn einerlei, was ich sage – »Ich habe Hunger«, »Ich langweile mich«, »Meine Füße sind müde«, »Ja, das steht dir auch gut«, »Na, dann nimm doch alle beide«, »Ach, verdammte Scheiße«, »Können wir jetzt nicht nach Hause gehen?«, »Zu Monsoon? Noch einmal?«, »Wo ich gewesen bin? Wo bist du gewesen?« –, es bringt absolut nichts. Und so hülle ich mich denn in Schweigen.
An diesem Tag war Mrs. B. in Schuhkaufstimmung, was bedeutet, sie läßt einen armen Typen in einem billigen Anzug stundenlang endlose Kartons mit mehr oder weniger identischer Fußbekleidung heranschleppen und entscheidet sich dann, doch nichts zu kaufen. Deshalb war ich so schlau, mich aus dem Staube zu machen und mir die Stadt anzusehen. Als Beweis meiner Liebe lud ich sie aber vorher zu Kaffee und Kuchen bei Betty’s ein (und bei Betty’s Preisen muß man schon sehr verliebt sein), wo sie mir, wie üblich, präzise Anweisungen gab, wo wir uns später treffen wollten. »Um drei vor Woolworth’s. Aber paß auf – hör auf, damit rumzufummeln, und hör mir zu –, wenn Russell & Bromley die Schuhe, die ich will, nicht haben, muß ich zu Ravel. In dem Fall treffen wir uns um Viertel nach drei vorm Tiefkühlgemüse bei Marks & Spencer. Oder ich bin bei Hammick’s bei den Kochbüchern, vielleicht auch bei den Kinderbüchern. Vermutlich aber bin ich doch bei Russell & Bromley und probiere dieselben Schuhe noch mal alle an. In dem Fall treffen wir uns spätestens um drei vor halb vier vor Next. Hast du das mitgekriegt?«
»Ja.« Nein.
»Ich kann mich drauf verlassen?«
»Natürlich.« Von wegen.
Mit einem Kuß war sie weg. Ich trank meinen Kaffee, genoß das elegante, altmodische Ambiente dieser feinen Institution, wo die Serviererinnen noch Rüschenhäubchen und weiße Schürzen über schwarzen Kleidern tragen. Von solchen Cafés sollte es wirklich mehr geben, wenn Sie mich fragen. Ein Kännchen Kaffee und ein klebriges Gebäck kosten zwar ein kleines Vermögen, aber sie sind ihr Geld wert, und außerdem darf man den ganzen Tag da sitzen, was ich nun ernsthaft in Erwägung zog, weil es so nett war. Aber dann fand ich, ich sollte mich doch in der Stadt umsehen, also zahlte ich und schleppte mich zum Einkaufsviertel, um mir
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