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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Museums die Ausstellungsstücke zu belugen, die doch recht interessant aussahen. Auf der anderen Straßenseite befand sich etwas beinahe so Atemberaubendes wie der Pier – eine echte Fabrik, die etwas produzierte. Quer über einem der oberen Stockwerke des großen roten Backsteingebäudes prangte der Name Trencherfield Mill.
    Sie ist heutzutage eine solche Rarität, daß scharenweise Touristen hierherkommen. Vorn waren Schilder, auf denen der Weg zu Führungen, zum Fabrikladen und zur Snackbar angegeben war. Ich fand die Vorstellung ein bißchen abartig, Schlange zu stehen und Leuten dabei zuzuschauen, wie sie Federbetten machen oder was auch immer sie dort drinnen herstellen. Aber sei’s drum, auch die Fabrik war der Öffentlichkeit freitags nicht zugänglich. Die Snackbartür hatte ein Vorhängeschloß.
    Also ging ich ins Stadtzentrum, ein ziemlicher Marsch, aber er lohnte sich. Wigan hat einen so nachhaltig schlechten Ruf, daß ich wiederum verblüfft war, wie hübsch und gutgepflegt es mittendrin ist. In den Läden herrschte reger Geschäftsbetrieb, und viele Bänke luden die vielen Leute zum Sitzen ein, die leider keine aktive Rolle in dem wirtschaftlichen Treiben um sie herum spielen konnten. Ein begabter Architekt hatte es erfolgreich geschafft, auf einfache, aber trügerisch clevere Weise eine neue Einkaufspassage in die existierende Struktur der Gebäude zu integrieren, indem er die Glasüberdachung des Eingangs passend zur Giebellinie der Häuser darum herum gestaltet hatte. Das Resultat war hell und modern, aber zugleich angenehm harmonisch – eben das, worüber ich mich ja schon hinlänglich ausgelassen habe –, und ich war entzückt, auf so etwas ausgerechnet in dem armen geplagten Wigan zu stoßen.
    Um es zu feiern, ging ich in die Passage, um in einem Café einen Tee zu trinken und ein klebriges Brötchen zu verzehren. Die Corinthia Coffee Lounge brüstete sich außer mit vielen anderen Attraktionen mit dem Besitz eines »georgianischen Kartoffelofens«. Ich fragte die junge Frau an der Theke, was das sei, und sie schaute mich an, als sei ich ein recht merkwürdiger Zeitgenosse.
    »Zum Kartoffelkochen und so ähnlich«, antwortete sie.
    Aber ja doch, natürlich! Ich trug meinen Tee und das klebrige Brötchen zu einem Tisch, wo ich ein Weilchen lang »Ooh, lecker«, murmelte, ein paar nette Ladies am Nachbartisch blöde anlächelte und mich dann, seltsam zufrieden mit meinem Tag, auf die Suche nach dem Bahnhof begab.
     

Neunzehntes Kapitel
     
    Ich nahm einen Zug nach Liverpool. Als ich ankam, gab’s ein Müllfestival. Die vielbeschäftigten Bürger hatten sich ein wenig Zeit abgeknapst, um die ansonsten kahle, heruntergekommene Stadt mit Chipstüten, leeren Zigarettenschachteln und Plastiktüten zu verschönern. Die flatterten fröhlich in den Büschen und verliehen den Bürgersteigen und Rinnsteinen Form und Farbe. Wenn man bedenkt, daß wir diese Objekte anderswo in Mülleimer stecken …
    Auch hier hatte ich in einem Anfall von Konsumwahn ein Zimmer in einem Hotel gebucht. Bei früheren Besuchen hatte ich das Adelphi Hotel von der Straße aus gesehen, und da es eine so altmodische Vornehmheit ausstrahlte, wollte ich gern wissen, wie es wirklich war. Es sah aber auch teuer aus, und ich war mir nicht sicher, ob meine Hosen noch eine Behandlung in der Hosenpresse überstehen würden. Als ich eincheckte, erfuhr ich dann zu meiner höchst angenehmen Überraschung, daß ich in den Genuß eines Wochenendsonderpreises kam, mithin noch Geld übrig hatte, nett zu essen und ein paar Bierchen zu zischen in einem der vielen wunderbaren Pubs, auf die Liverpool spezialisiert ist.
    Wie alle Neuankömmlinge in der Stadt fand ich mich bald darauf im noblen, prächtigen Philharmonic wieder, ein Pintglas in der Hand und Schulter an Schulter mit einer Menge glücklicher freitagabendlich gestimmter Menschen. Zu vieler Menschen. Mir war das Phil (so nennt man es, wenn man zweimal dort war) zu voll. Man fand kaum einen Stehplatz, von einem Sitzplatz ganz zu schweigen. Ich trank zwei Gläser, in meinem Alter gerade so viel, daß man mal für kleine Jungs muß – und es gibt keinen feineren Ort zum Pinkeln als die prunkvolle Herrentoilette im Philharmonic –, und suchte mir dann etwas Ruhigeres.
    Ich landete in einem Pub namens The Vines, beinahe genauso edel wie das Philharmonic, aber nicht halb so frequentiert. Außer mir gab es nur drei Gäste, was ich rätselhaft fand, denn es war ein feiner Pub mit Holzpaneelen

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