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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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und einer Stuckdecke, die sogar noch prunkvoller war als die Täfelung. Als ich dasaß, mein Bier und das feudale Ambiente genoß, kam ein Typ mit einer Sammelbüchse, deren Originaletikett ungeschickt abgekratzt war, und bat mich um eine Spende für behinderte Kinder.
    »Was für behinderte Kinder?« fragte ich.
    »Ey, die in Rollstühlen und so.«
    »Ich meine, für welche Organisation sammeln Sie?«
    »Die, ahm, hm, äh, na die Organisation für behinderte Kinder eben.«
    »Na gut, solange es mit rechten Dingen zugeht«, sagte ich und gab ihm 20 Pence. Und genau das mag ich so an Liverpool. Wenn es auch keine Fabriken und keine Arbeit gibt und die Stadt in Sachen Selbstbewußtsein in geradezu erschütternder Weise auf den Fußball angewiesen ist, die Liverpudlians beweisen trotzdem Charakter und Initiative und nerven einen nicht mit grotesken Ambitionen, den Zuschlag für die nächsten Olympischen Spiele zu kriegen.
    The Vines war so nett, daß ich noch zwei Gläser trank. Aber dann merkte ich, daß ich doch was in den Magen kriegen mußte, wenn ich schlußendlich nicht noch gegen Straßenlaternen und andere Hindernisse torkeln wollte. Draußen kam mir der Hügel, auf dem das Pub stand, auf einmal unerklärlich steil und gefährlich vor, bis mir in meinem leicht beduselten Zustand dämmerte, daß ich ihn vorher hinuntergegangen war, während ich ihn nun hinaufging. Eine völlig neue Perspektive. Nach kurzer Wegstrecke fand ich mich vor einem griechischen Restaurant wieder und studierte mit dem allerzartesten Schwanken die Speisekarte.
    Ich mache mir nicht viel aus griechischem Essen – nicht weil es mir an Respekt vor einer guten Küche mangelt, sondern weil ich immer meine, ich könnte mir auch selbst Blätter kochen, wenn ich Geschmack daran fände –, aber das Restaurant war so leer und verlassen, und die Besitzerin bat mich mit solch flehentlichen Blicken herein, daß ich wie von selbst hineinwanderte. Hm, das Essen war wunderbar. Ich habe keine Ahnung, was ich mir einverleibt habe, aber es war reichlich und köstlich, und sie behandelten mich wie einen König. Dumm, wie ich bin, spülte ich es mit vielen weiteren Bieren hinunter. Als ich fertig war – und die Rechnung plus soviel Trinkgeld bezahlt hatte, daß die ganze Familie an die Küchentür kam – und mit der langen Prozedur begann, einen Arm in einen immer wieder mysteriös verschwindenden Jackenärmel zu stecken, war ich, fürchte ich, beinahe betrunken. Ich taumelte in die frische Luft, wo mir prompt übel wurde und ich mich sturz betrunken fühlte.
    Also, bei Alkoholmißbrauch lautet die zweite Regel (die erste ist natürlich, sich nicht plötzlich in eine Frau zu verlieben, die größer als Hoss Cartwright ist), niemals in einer Kneipe an einem abschüssigen Hang zu trinken. Ich ging auf Beinen bergab, die mir plötzlich fremd waren und vor mir hinausschnellten, als schleuderte ich ein Stück Tau. Das einladend am Fuße des Hügels winkende Adelphi schaffte das interessante Kunststück, gleichzeitig ganz nahe und erstaunlich weit weg zu sein. Wie durch das falsche Ende eines Fernrohrs betrachtet. Die Sinnestäuschung wurde noch dadurch verstärkt, daß mein Kopf gut sechs, sieben Meter hinter meinen wie irre zappelnden Gliedmaßen herwackelte. Hilflos folgte ich ihnen, und wie durch ein Wunder beförderten sie mich im Eiltempo nach unten, sicher über die Straße und die Treppe hoch zum Eingang des Adelphi, wo ich meine Ankunft mit einer vollen Umdrehung in der Drehtür feierte und wieder im Freien landete. Als ich mich erneut hineinstürzte, wurde ich mit erschreckender Abruptheit in das hohe, noble Foyer katapultiert, wo ich nach einem dieser »Wo-bin-ich?«-Augenblicke merkte, daß mich die Nachtschicht schweigend beobachtete. Unter Aufbietung eines letzten Rests an Würde und in dem Bewußtsein, daß die Aufzüge für mich nicht in Frage kamen, taperte ich zu dem hochherrschaftlichen Treppenaufgang und schaffte es – ich weiß nicht, wie –, in einer Weise hinaufzufallen, die unheimlich an einen rückwärtslaufenden Film erinnerte. Ich weiß nur noch, daß ich zum Schluß rückwärts auf die Füße sprang, den sich reckenden Gesichtern verkündete, es sei alles klar, und mich dann in den endlosen und rätselhaft numerierten Fluren des Adelphi auf die lange Suche nach meinem Zimmer machte.
     
    Nun gebe ich Ihnen einen guten Rat. Fahren Sie nur mit der Fähre über den Mersey, wenn Sie hinterher den berühmten Song von Gerry and the

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