Rein Wie Der Tod
seinem gelben Ganzkörperanzug, mit zwei Sauerstoffflaschen auf dem Rücken und einem Helm mit Lampe auf dem Kopf, erinnerte er an einen Taucher. Er stand auf einer Plattform und spülte sich mit sauberem Wasser aus einem Schlauch ab. Der Schlauch war an ein Rohr angeschlossen, das an einem Brückengeländer entlanglief.
Frølich winkte ihm zu und kletterte hinauf. Schleimige grüne Streifen liefen an Karl Anders Anzug hinunter, und er hatte schwarze Flecken im Gesicht.
»Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, fragte Frølich, merkte aber selbst, dass das nicht lustig klang.
Karl Anders betrachtete ihn kühl. Er drehte das Wasser ab und nahm die Flaschen vom Rücken. »Oslo hat eine halbe Million Einwohner, die alle aufs Klo gehen und mit Wasser spülen. Sie duschen auch, viele mehrmals am Tag, sie waschen ab, waschen Wäsche, waschen ihre Autos. Jetzt kommen solche Mengen an Regenwasser runter, wie du und ich es seit Jahren nicht mehr erlebt haben. Abwasserentsorgung ist letztlich eine Frage der Logistik, Frank. Abwasser ist mein Fachgebiet. Für mich geht es hier nicht um Kloaken, sondern um Ingenieurkunst. In dieser Stadt verlaufen Abflussrohre auf einer Länge von zweitausendzweihundert Kilometern. Zweitausendzweihundert. Das ist die gesamte Länge Norwegens. Jeden Zentimeter verlegten Rohres haben wir in unsere Computersysteme einprogrammiert. Sie machen diese Anlage einzigartig. Stell dir mal vor: Paris, New York und London beherbergen viele Menschen, aber die Städte sind flach. Oslo ist ein Kessel. Wir haben es hier mit Höhenunterschieden und Winkeln zu tun, die mit keinem anderen Ort auf der Erde zu vergleichen sind. Wir haben Computersysteme, die den Effekt von Leckagen und Zuströmen in jedem x-beliebigen Format simulieren können. Die Anlage hier unten bewältigt die Regenmengen da draußen völlig problemlos. Diese Anlage ist in der Lage, deine und meine ganz persönliche Scheiße in fast sauberes Wasser zu verwandeln, das in fünfzig Metern Tiefe in den Oslofjord geleitet wird. In nicht allzu ferner Zukunft wird das Wasser in Bjørvika wieder Badewasserqualität haben. Der Schlamm, der übrig bleibt, wird als organischer Dünger in der Landwirtschaft untergepflügt.
Worüber du hier die Nase rümpfst, wird in Systemen verarbeitet, mit denen wir in der internationalen Entwicklung ganz vorne stehen. Wusstest du zum Beispiel, dass wir eine Anlage für die Gewinnung von Biogas entwickelt haben? Schon bald wird das Gas aus deinem privaten Dreck daran beteiligt sein, über hundert mit Gas betriebene Busse in dieser Stadt anzutreiben. Aber das alles interessiert dich nicht, Frank. Du hast dich schon immer nur für die Dinge interessiert, die dich selbst angehen. Was willst du?«
»Reden.«
Ohne ein weiteres Wort kehrte Karl Anders ihm den Rücken zu und marschierte in den Berg hinein.
Frølich folgte ihm. »Du hast doch wohl Zeit, mir ein paar Fragen zu beantworten, oder?«
Karl Anders blieb stehen und drehte sich um. Jetzt standen sie jeder neben einem offenen Bottich. Frølich sah hinein. Die Flüssigkeit darin war braungrün und unappetitlich.
»Ein paar Fragen«, äffte Karl Anders ihn giftig nach. »Du hast mein Leben zerstört, Frank. Das Dümmste, was ich jemals getan habe, war, nach all diesen Jahren Kontakt zu dir aufzunehmen. Nachdem du wieder in mein Leben getrampelt bist, ist davon nichts mehr übrig.«
Er kehrte ihm erneut den Rücken zu und marschierte weiter.
»Und was meinst du damit?«, rief Frølich.
»Was ich damit meine? Kapierst du denn gar nichts? Wenn du Veronika geglaubt hättest, wäre diese ganze teuflische Geschichte nicht passiert! Du wärst zu meiner Feier gekommen und hättest Veronika wie ein ganz normaler Mensch kennengelernt. Und Veronika wäre noch am Leben!«
Karl Anders hüpfte von einer Plattform und ging weiter. Frølich blieb ihm auf den Fersen. Sie bogen nach rechts ab und kamen in eine weitere Halle. Hier war es ganz still. Das Wasser floss in riesige Bassins, die aussahen wie künstliche Seen. Die Luft war rau und kühl, aber fast geruchsfrei. Die enorme Felsenhalle wurde durch ein paar wenige gelbe Scheinwerfer an den Wänden erleuchtet. Die Bassins erinnerten an stille Teiche im Mondschein, und direkt unter ihren Füßen hörte man das Gluckern eines Bachs.
»Veronika ist zu Kristoffer gegangen, weil sie sich Sorgen um ihn gemacht hat«, sagte Frølich zum Rücken des Freundes. »Sie war die ganze Zeit loyal. Sie wusste, wem das Kokain gehörte,
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