Rein Wie Der Tod
aber dieses Mal war es nicht der Zug. Die Lokomotive spielte eine merkwürdig mechanische Version von Mozarts vierzigster Symphonie. Gleichzeitig stieß ihn jemand in die Seite. Sofort begriff er, dass er nicht im Zug saß, sondern im Bett lag. Das Geräusch kam von seinem eigenen verdammten Handy, und die Hand, die an ihm rüttelte, war Toves.
»Dein Handy«, flüsterte sie.
Er öffnete die Augen. »Lass es klingeln. Ich rufe zurück.«
Mühsam setzte er sich auf.
Endlich schwieg das Handy.
Ein blaugraues Licht erfüllte das Schlafzimmer, also war es noch früh, sehr früh, noch bevor die Sonne richtig aufgegangen war. Er sah auf seine Armbanduhr. Zehn vor vier.
»Du weißt doch gar nicht, wer das war«, sagte Tove.
Gunnarstranda gähnte. »Doch doch. Ich weiß, wer das ist.«
Ein Piepton ertönte, als das Handy eine SMS empfing.
»So kurz nur war Adam im Paradies«, seufzte er und stand auf. »Schlaf du nur weiter. Oder -«, fügte er nach ein paar Sekunden des Nachdenkens hinzu. »Darüber sollten wir vielleicht noch mal reden.«
»Worüber?«
Sie saß im Bett. Nackt. Das Haar zerzaust. Blinzelnde Augen. Es war ein Anblick, der ihn begreifen ließ, was der Sinn des Lebens war.
»Ob du alleine hier weiter Ferien machen willst, oder ob du dir jetzt lieber was anderes einfallen lässt.«
»Allein? Bist du verrückt?«
Er nickte zu seinem Handy auf dem Nachttisch. »Ich muss zur Arbeit.«
»Woher weißt du das?«
»Wenn ich Nein sage, krieg ich einen Befehl.«
Sie sahen einander an, lange. Schließlich schwang sie die Beine auf den Boden. »Wir haben schließlich zwei ganz phantastische Wochen gehabt«, sagte sie. »Lust auf Kaffee?«
Er nickte und griff nach dem Handy.
7
Endlich ein Parkplatz! Eine Lücke in der Reihe von Autos vor den Wohnblocks in der Bjerregaards Gate. Es war brütend heiß, und es gab keinen Schatten für das Auto. Frølich ließ die Fenster offen und schlenderte in Richtung Damstredet und Telthusbakken. Dort machte eine Gruppe von Menschen offenbar gerade Filmaufnahmen. Die Kamera war auf einem kleinen Podest auf vier Fahrradrädern montiert. Eine junge Frau mit einem Mikrofon an einem Bügel vor dem Mund lief mit gebeugtem Rücken auf drei Schauspieler zu. Auf dem Gefährt saß ein Typ mit Hängehosen und Piratentuch - der Kameramann. Er bekam seine Instruktionen von einem mageren Kerl mit verkehrt herum aufgesetztem Cap.
Zwei der Schauspieler waren Männer. Ihre Kostüme erinnerten Frølich an das Theater Holbergs: Schlapphüte, Kniehosen und Jacken mit Schoß. Die Frau trug ein langes wallendes Kleid und ein Kopftuch. Sie sah aus wie Tante Grün, eine typische Bauersfrau aus den Büchern von Elsa Beskow. Die drei passten nahtlos in die Umgebung kleiner Holzhäuser und schmaler Gassen. Nur der Asphalt störte den Gesamteindruck. Zu Holbergs Zeiten gab es wohl kaum schon Asphalt, dachte Frølich. Aber das machte wahrscheinlich nichts, im Film konnte man schließlich so viele merkwürdige Dinge darstellen. Er beobachtete den Kerl mit dem Cap. Hübscher Junge mit Sonnenbrille und einem kleinen Bärtchen unter der Lippe. Der Kollege bei Westerdals hatte gesagt, der Mann sei Mattis Langeland.
Zehn bis fünfzehn Schaulustige saßen auf dem Rasen und betrachteten die Szene. Mattis Langeland rief: »Action!« Die drei Schauspieler begannen, auf die Kamera zuzugehen, während zwei andere Männer den Kamerawagen schoben. »Schnitt!«, rief Mattis Langeland. Das wiederholte sich ein paarmal, dann war das Ganze vorbei. Die Filmleute packten ihre Ausrüstung ein, während Langeland zusammen mit dem Kameramann dasaß und die Aufnahmen auf einem Monitor studierte.
Frølich ging auf sie zu.
Beide betrachteten weiter den Monitor. Langeland winkte mit einem Arm ab und sagte: »Bitte, ich bin beschäftigt.«
Frølich blieb stehen.
»Hören Sie schlecht?«
Das war der Kameramann mit dem Piratentuch.
Frølich wedelte mit seinem Dienstausweis. »Polizei.«
Der Kameramann verstummte, und Langeland drehte sich endlich um. »Was ist das Problem?« Die Narbe in seinem Mundwinkel war nicht zu übersehen.
»Mattis Langeland?«
Langeland nickte.
»Sie sollen am Freitag in Blindern in einer Studentenkneipe gewesen sein«, sagte Frølich.
Langeland dachte nach. »Das kann sein.«
»Tja,«, sagte Frølich gedehnt. »Es geht hier um eine polizeiliche Ermittlung. Also, waren Sie da oder nicht?«
»Hab wohl kurz mal reingeschaut, ja.«
Aus irgendeinem Grund war der Kameramann sitzen
Weitere Kostenlose Bücher