Rein Wie Der Tod
Samstagmorgen eine Frau verhaftet - Veronika Undset -, stimmt das?«
»Ich freu mich auch, dich zu hören«, sagte Frank Frølich und blinzelte Yttergjerde zu, der grinsend von seinen Fotos aufsah. »Schon in die Zeitung geguckt?«
»Nein.«
»Titelseite. Frau ermordet.«
Frank Frølich durchfuhr es kalt.
Gunnarstrandas Stimme war immer noch knapp und formell. »Die Fingerabdrücke stimmen überein. Sie ist es, garantiert. Kannst du herkommen und sie identifizieren, jetzt gleich, in der Gerichtsmedizin?«
Frank Frølich sah auf die Uhr. Er schluckte, aber es half nichts. Das widerliche Unbehagen und der schwere Stein in seinem Magen verschwanden nicht. »Gib mir eine halbe Stunde«, sagte er und legte auf.
8
Nachdem sie sich in der Pathologie getrennt hatten, hatte Frølich das Bedürfnis, ein wenig allein zu sein, und benutzte den Vermisstenfall als Entschuldigung. Er fuhr los, ohne Ziel, und landete schließlich an der alten Seemannsschule in Ekeberg. Er parkte und blieb einen Moment im Wagen sitzen.
Er hatte schon einmal versucht, Karl Anders auf dem Handy anzurufen, und versuchte es erneut. Keine Antwort. Er versuchte es noch einmal. Die Mailbox sprang an. Er unterbrach die Verbindung, ohne draufzusprechen, steckte sein Handy in die Tasche und stieg aus dem Wagen.
Er schlenderte auf den Park um das Ekeberg-Restaurant zu. Formvollendete Frauenskulpturen blickten ihn mit ihren blinden Augen durch Laub und Unterholz an. Er fand eine Bank mit Aussicht über das Hafenbecken und die Hügel im Westen und Norden. Die Dänemarkfähre und die Kielfähre lagen am Kai. Eine Nesoddfähre fuhr hinaus, und er hörte das leichte Dröhnen der Autobahn irgendwo unter ihm.
Der Anblick von Veronika Undsets weißer, leerer Gesichtshülle hatte ihn mitgenommen. Der Zustand der Leiche, der Fundort. Er mochte kaum daran denken. Zum ersten Mal seit langer Zeit fragte er sich wieder einmal, wie er diesen Job ertragen sollte. Er dachte im Stillen: Klein Vroni ist gefallen, und niemand kann die Uhrzeiger wieder zurückdrehen.
Hier ging es nicht nur um einen Mord. Es ging um Karl Anders und ihn selbst - ob er wollte oder nicht.
Typischerweise fiel ihm ein Fall wie dieser in den Schoß, während er gerade eifrig dabei war, säckeweise Spuren im Fall Rosalind M'Taya zu sammeln. Das war der Fall, in den er seine Energie investieren sollte: Aussagen überprüfen, dem affigen Filmregisseur und Bin-ich-nicht-schön-Typen auf den Pelz rücken, seine Aussage auseinandernehmen. Irgendein Dreckschwein aus der norwegischen Überflussgesellschaft - möglicherweise Mattis Langeland - hatte ein Verbrechen an einem armen Mädchen begangen, das allein war und meilenweit von zuhause entfernt. Das war sowohl entwürdigend als auch eine Provokation und hatte in ihm ein Engagement für seine Arbeit entzündet, wie er es lange nicht mehr verspürt hatte - bis zu der Begegnung mit Veronika Undsets toter Hülle.
Sein Handy klingelte.
Er suchte mit zitternder Hand danach. Las die Nummer auf dem Display. Stellte zu seiner Enttäuschung fest, dass es nicht die Nummer von Karl Anders war. »Ja?«
»Hier ist Lena. Ich wollte dir nur schnell sagen, dass Langelands Aussage bestätigt wurde. Ein Typ namens Mattis Langeland war in der Bar Robinet, bis sie samstagmorgens geschlossen hat.«
»Allein?«
»Allein.«
»Wer sagt das?«
»Ein Typ, der da an der Bar arbeitet. Mattis Langeland hatte ihn angerufen und gebeten, dies gegenüber der Polizei zu bestätigen.«
Frølich steckte das Handy wieder in die Tasche. Es war nicht sein Tag. Absolut nicht sein Tag.
Er lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen. Die Sonne brannte, und er schwitzte schon. Sammelte die Daten des Vermisstenfalls. Bekam Veronika Undset nicht aus dem Kopf. Erinnerte sich, was an jenem Morgen geschehen war: wie sie die hintere Wagentür geöffnet hatte und ausgestiegen war. Ihr schräger Blick, der seinen traf, ruhig, wissend. In dem Moment hatte er es gespürt - und jetzt war er sich seiner Sache sicher. Sie hatte gewusst, dass jemand dem Taxi gefolgt war, mit dem sie von Kadir Zahid wegfuhr. Es war ja offensichtlich. Zahid hatte es ihr natürlich gesagt: Die Bullen überwachen mich. Sei vorbereitet. Es kann sein, dass sie in Aktion treten, wenn du hier weggehst.
Genau das hatten sie getan. Er sah ihr kleines Lächeln vor sich, als sie sich auf den Rücksitz des Streifenwagens setzte. Zwei Bilder, dachte er. Finde einen Fehler.
Der Fehler war gewesen, dass er in ihrer
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