Rein Wie Der Tod
schäbig fühlen, aber er tat es nicht. Er fühlte sich stark und konzentriert, als würde sie gerade jetzt nackt im Sonnenschein unter ihm liegen.
Frølich blinzelte und holte tief Atem. So konnte er nicht weitermachen. Er hielt abrupt an der Bushaltestelle bei Bislett.
»Was ist los, Frølich? Ist dir schlecht?«
»Vielleicht sollte ich in diesem Fall nicht ermitteln«, antwortete er. Es war unglaublich heiß, und er wollte gerade sein Hemd am Hals aufknöpfen, als ihm auffiel, dass es schon aufgeknöpft war.
»Warum nicht?«
»Ich habe vielleicht eine etwas zu intime Beziehung zu den Beteiligten.«
»Du hast schon gegen Veronika Undset ermittelt. Du kennst Kadir Zahids Beziehung zu ihr. Natürlich musst du dabei bleiben!« Gunnarstranda schnaubte. »Intim?«
»Ich bin nicht unbefangen.«
»In Bezug auf deinen Freund, ja, aber du kannst trotzdem an den Ermittlungen mitarbeiten.«
Frølich holte sein Handy aus der Tasche. Drückte die Wahlwiederholung. Es klingelte und klingelte. Schließlich schaltete sich ein Piepton ein. Frølich seufzte. »Er geht nicht dran.«
»Wer?«
»Karl Anders.«
»Irgendwas sagt mir, dass du es heute schon mehrmals versucht hast«, sagte Gunnarstranda.
Frølich schrieb eine SMS: Hei KA, wir müssen miteinander reden, ruf mich an auf dieser Nummer. FF.
Er schickte die Nachricht los, legte das Handy auf die Mittelkonsole und sah in den Spiegel, bevor er weiterfuhr. Wartete auf eine Lücke im Verkehr. Dann fragte er: »Kann es ein Sexualmord gewesen sein?«
Gunnarstranda schüttelte zweifelnd den Kopf. »Dann hätten wir die Leiche am Tatort gefunden. Die Kleider? Haben wir nicht. Das Einzige, was wir haben, ist ein Diamantohrring im linken Ohr. Sie wurde woanders umgebracht, dann in Plastik eingewickelt, transportiert - wahrscheinlich in einem Auto - und so weiter. Der Pathologe meint, jemand habe sie mit kochend heißem Wasser gewaschen, post mortem - höchstwahrscheinlich, um biologische Spuren zu entfernen.«
Beide schwiegen.
»Also nach einer Vergewaltigung«, fügte Gunnarstranda hinzu.
Die Stille dauerte an. Frølich dachte an Karl Anders, daran, dass Veronika ermordet worden war - ausgerechnet jetzt.
»Freunde«, sagte Gunnarstranda nach einer Weile.
»Hm?«, erwiderte Frølich und tat, als verstünde er nicht.
»Der Kumpel spielt Verstecken mit uns. Aber du warst auf seiner Party. Dort müssen noch andere Freunde gewesen sein, Freunde des Paares. Leute, die sie kannten. Da kann man anfangen.«
Frølich nickte. »Ich hab da auch noch diesen Vermisstenfall«, sagte er, »das afrikanische Mädchen, das verschwunden ist. Es besteht die Möglichkeit, dass sie auch getötet wurde ...«
Gunnarstranda hielt den Kopf schief. »Ja, und?«
»Es ist schwierig, beides zu tun, zwei Morde ...«
»Rosalind M'Tayas Status ist vermisst. Du weißt nicht, ob sie ermordet wurde.«
»Der Punkt ist nur, dass ...«
Gunnarstranda unterbrach ihn: »Veronikas Freunde, Frølich. Ihre Namen. Leute vom vierzigsten Geburtstag, die uns dabei helfen können, herauszufinden, was sie gestern gemacht hat. Veronika Undset wurde tatsächlich ermordet, bewiesenermaßen.«
»Ich habe Karl Anders viele Jahre nicht gesehen. Ich war der einzige von den alten Kumpels, der eingeladen war. Er hat einen ganz neuen Freundeskreis.«
»Aber du wirst doch mit jemandem gesprochen haben?«
»Ich hatte eine Tischdame, die Veronika gut kannte. Janne Smith. Da kann ich anfangen.«
Gunnarstranda nickte zufrieden. »Dann werde ich mit ihrer Familie sprechen.«
* * *
Wieder im Polizeipräsidium angekommen, war Frølichs erste Tat, Janne Smith auf ihrer Festnetznummer anzurufen. Sie nahm nicht ab. Stattdessen wurde er mit einem Anrufbeantworter verbunden. Er zögerte, hinterließ dann aber keine Nachricht. Rief sie auf dem Handy an, aber das war offenbar ausgeschaltet. Derselbe Anrufbeantworter schaltete sich ein. In dem Moment wurde die Tür geöffnet, und er legte auf. Es war Lena Stigersand.
»Störe ich?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich gehe ein paar Überwachungsvideos vom Flughafen Gardemoen durch«, sagte Lena. »Wegen Rosalind M'Taya. Was ich bis jetzt gecheckt habe, ist mit einem gelben Zettel markiert.« Sie zeigte ihm eine DVD mit Merkzettel. »Wäre gut, wenn du es auch so machen würdest. Es sind unglaublich viele Filme.« Sie legte einen Stapel vor ihm auf den Schreibtisch.
»Und was machst du?«, fragte er.
»Lunchpause«, sagte Lena freundlich, »und dann sind sowohl Rindal als auch
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