Rein Wie Der Tod
ist dieses Land. Veronika ist in einem Fall aufgetaucht, in dem ich ermittelt habe. Ich hatte keine Ahnung, wer sie ist, als ich ihr zum ersten Mal begegnet bin. Ich konnte nichts von eurer Bekanntschaft wissen. Das habe ich erst begriffen, als ich sie bei deiner Feier traf. Ich war erschrocken, aber ich musste diskret bleiben.«
Plötzlich unterbrach ihn Karl Anders: »Was ist an der Drogensache dran?«
Frølich sah ihn an. Schließlich sagte er:
»Veronika bekam ein Bußgeld auferlegt, weil sie im Besitz von Drogen war. Als sie die Strafe bezahlt hatte, war die Sache aus der Welt. Es brauchte ja auch außer Veronika niemand davon zu wissen, deshalb habe ich den Mund gehalten.«
Frølich war sich nicht sicher, ob Karl Anders ihm zuhörte. Er saß noch immer in der gleichen Haltung da und wirkte völlig weggetreten.
»Ich kann nicht aufhören, ein Bulle zu sein, nur weil wir uns kennen.«
Karl Anders hob den Kopf. Sie wechselten einen Blick. Plötzlich wirkte er nicht mehr betrunken. »Was willst du damit sagen?«, fragte er scharf.
Sie hielten noch immer Blickkontakt. Frank Frølich wusste es nicht, aber er fühlte, dass sie beide dasselbe dachten. So leicht entzündbar ist es noch, dachte er, keiner von uns will es gerade heraussagen. Zwanzig Jahre sind vergangen und wir stehen immer noch an derselben Stelle.
Oder? War die Situation jetzt nicht eine ganz andere? Er selbst repräsentierte die offizielle Autorität, während Karl Anders ... Er brachte es nicht fertig, den Gedanken weiter zu verfolgen und sagte stattdessen: »Die Polizei muss wissen, was du weißt. Wir müssen wissen, wo du warst, als Veronika ermordet wurde, aber heute warst du nicht aufzufinden. No problem - solange du auch sonst mit niemandem gesprochen hast. Unsere Leute haben den ganzen Tag hinter dir her telefoniert, auf dem Handy, zuhause, bei der Arbeit. Wie gesagt, Karl Anders - du bist eine zentrale Figur in diesem Fall. Also wo warst du?«
»Ich dachte, du wärst endlich über diese Sache hinweggekommen«, sagte Karl Anders.
Frølich antwortete nicht.
»Aber du bist immer noch derselbe. Du bist verdammt noch mal total derselbe.«
Frølich betrachtete den Freund wortlos.
»Mein Pech, dass Veronika an dem Morgen ausgerechnet auf dich gestoßen ist.«
Frølich sah auf seine Hände. Sie zitterten nicht. Er sagte zu sich selbst: Er ist betrunken, er hat den Menschen verloren, den er geliebt hat - das ist der Grund. Er räusperte sich und wiederholte seine ursprüngliche Frage: »Wo bist du den ganzen Tag gewesen?«
Karl Anders lächelte kühl. »Du glaubst, ich bin es gewesen, stimmt's?«
Frank Frølich fand es an der Zeit, seine eigene Bierdose zu öffnen, und schenkte sich ein Glas ein. Sah kurz auf. Dasselbe kalte Lächeln im Gesicht des Freundes. Kaltes Lächeln und stechender Blick. Nichts hätte Frølich jetzt lieber getan, als den Vorhang vor der Vergangenheit wegzureißen, den Moment wieder wachzurufen. Den Freund mit dem zu konfrontieren, was er wirklich dachte, tief im Inneren.
Dennoch ließ er es sein. Er trank von seinem Bier, den Blick fest auf den Freund gerichtet. Er hatte sich danach gesehnt, an diesem Abend die Schultern hängen zu lassen, einfach nur dazusitzen und zu dösen, einen schlechten Film zu sehen, mit viel Knallerei, Autorennen und ordinären Repliken. Aber Karl Anders hatte seinen Arbeitstag verlängert und seinen Job in seine Wohnung geholt. Es gefiel ihm gar nicht, wenn der Job ihn nicht losließ.
Er stellte sein Glas ab.
»Unsere Beziehung war nicht so heiß, wie du glaubst«, begann Karl Anders. »Ich habe eine Ex«, fuhr er fort und sah verträumt vor sich hin.
»Wer hat die nicht?«, sagte Frank Frølich, um ihn wieder zum Reden zu bringen.
»Ich war mit ihr zusammen.«
»Wann?«
»Die ganze Zeit.«
Frølich lehnte sich zurück und begriff, dass die Freunde aus der Kindheit in der eigenen Vorstellung immer so blieben, wie sie früher waren - auch wenn man sie nach langer Zeit wiedersah. Als er Karl Anders bei seiner Geburtstagsfeier gesehen hatte, hatte er den Teenager erkannt. Ganz unwillkürlich hatte er gedacht, das Aussehen wäre nur eine Schale, hinter der sich der Freund von damals verbarg - unverändert. Er hatte durch die Schale hindurchgesehen und gemeint, die Mimik, die Körpersprache und das Blitzen in den Augen des Freundes wiederzufinden. Doch jetzt sah er Karl Anders plötzlich so, wie er als Erwachsener geworden war. Ein anonym aussehendes männliches Wesen an der Grenze
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