Rein Wie Der Tod
kam hinterher. Sie stellte sich breitbeinig hin und betrachtete die gemauerte Wand, vor der Reifen in riesigen Stapeln lagen. Dann hob sie demonstrativ ihren Arm und sah auf die Uhr. »Ganz schön ruhig hier heute, haben Sie den Jungs freigegeben?«
»Du hörst nicht zu«, erwiderte er kurz. »Ich habe Veronika angerufen, um jemanden zum Reden zu haben, in einem schwierigen Moment. Das war keine verdammte Konsultation.«
Er ging an ihr vorbei und durch das Tor hinaus auf den Platz. Dort, im Sonnenschein, blieb er stehen und sah sie an. Sie ging auf ihn zu, blieb aber in der Toröffnung stehen.
»Hatten Sie ein Verhältnis mit Veronika?«
Zahid schüttelte den Kopf. »Sie war verlobt mit einem Typen, der bei der Kommune arbeitet. Sie wollte mich zu ihrer Hochzeit einladen - auch wenn das genaue Datum noch nicht feststand.«
»Ihr Verlobter wusste also von Ihrer Freundschaft?«
»Natürlich.«
»Wo waren Sie gestern Abend?«
»Was glaubst du? Ich war zuhause. Ihr überwacht mich doch die ganze Zeit, Lena. Ich kann keinen verdammten Meter gehen, ohne einen Bullen an den Hacken zu haben. Überprüf doch ihre Berichte, dann wirst du sehen, dass ich zuhause war.«
»Allein?«
Kadir Zahid schüttelte den Kopf. »Zwei meiner Brüder waren da.«
Wie Lena so in der Toröffnung stand und ihn betrachtete, beschlich sie das Gefühl, dass er Theater spielte. Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt, seit er nach draußen gegangen war, sie mussten sich fast anschreien. Warum war er nach draußen gegangen? Wollte er sie auch aus dem Gebäude locken? Was hatte ihn so unruhig gemacht? Um ihn zu provozieren, drehte sie sich um und ging ein paar Schritte zurück in die Werkstatt. Da bemerkte sie etwas, drehte sich wieder um und stellte fest, dass ihr tatsächlich etwas Wichtiges aufgefallen war. Er war wachsam. Folgte ihr mit den Blicken wie ein Fuchs aus seinem Versteck. Sie lächelte ihn an, aber er lächelte nicht zurück. Lena trat ganz nach draußen. Tat so, als würde sie sich eine smarte Frage ausdenken, während sie ein paar nachdenkliche Schritte machte. Sie sah genau hin und fand bestätigt, was sie drinnen bemerkt hatte. Der Werkstattraum war schmaler als das Gebäude. Das Gebäude war vielleicht zwanzig Meter breit, der Innenraum maximal fünfzehn. Es gab also noch ein paar zusätzliche Quadratmeter, ohne Fenster. Und wo war das Tor oder der Eingang zu diesem Teil des Gebäudes? Wahrscheinlich auf der Rückseite.
Es musste nichts bedeuten, aber da war etwas in der Körpersprache von Zahid, das sie alarmierte. Sie hob die Arme. »Sieht so aus, als wären hier gerade viele Kunden. Harte Arbeitstage, was?«
»Du weißt genauso gut wie ich, dass die Reifenbranche ein Saisonjob ist. Jetzt im Sommer kommt vielleicht mal ein zufälliger Tourist vorbei, dessen Reifen geplatzt ist. Aber komm mal im Oktober wieder. Dann ist hier der Bär los!«
Nein, dachte sie. Er ist nicht mehr so entspannt wie noch vor wenigen Minuten.
»Wann haben Sie Veronika das letzte Mal gesehen?«
»Samstagmorgen, als sie ging und ihr ihrem Taxi gefolgt seid.«
»Haben Sie danach noch mit ihr gesprochen?«
Zahid schüttelte den Kopf.
»Haben Sie mit ihr über ihre Kunden gesprochen?«
»Was meinst du damit?«
Sie musste über seine aufgesetzte Miene lächeln. »Sie wissen, was ich meine. Sie wissen, warum wir Sie überwachen. Sie sind ein Dieb, Kadir Zahid. Wir glauben, dass Sie Helfer haben, um Opfer für Ihre Diebstähle zu finden. Wir glauben zum Beispiel, dass Sie eine ältere Dame auf Malmøya ausgeraubt haben, eine Frau namens Regine Haraldsen.«
»Es ist unehrenhaft, ältere Damen auszurauben«, antwortete Zahid.
»Regine Haraldsen war eine von Veronika Undsets Kundinnen.«
Kadir Zahid schwieg.
»Sicher, dass Sie nicht mit Veronika telefoniert haben, nachdem sie Samstag von Ihnen weggefahren ist?«
Er seufzte. »Nun hör doch auf, Lena. Ich habe Veronika weder gesehen noch mit ihr gesprochen seitdem. Sag mal, weiß ihre Mutter es schon? Ich möchte gern mit ihr sprechen und ihr mein Beileid aussprechen.«
»Sie kennen ihre Mutter?«
»Natürlich.«
»Sie weiß, dass ihre Tochter tot ist, selbstverständlich.«
Zahid schlug das Tor mit einem scheppernden Knall zu. Er schloss ab und drehte sich zu Lena Stigersand um.
»Noch was, womit ich dir helfen kann, Lena?«
Sie ging auf Ståle und den Wagen zu. Dachte: Er spielt noch immer Theater.
Als sie in den Mustang einstieg, hatte Zahid sich eine Sonnenbrille aufgesetzt. Das
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