Rein Wie Der Tod
protzige Logo von Dolce & Gabbana glänzte an seiner Stirn. Er winkte ihr zu.
Sie winkte zurück.
»Hab keine Zeit für so was«, sagte Ståle verärgert und ließ den Motor an. Sie hob eine Hand und strich ihm über den Arm.
»Vergiss es!«, war die Reaktion, die sie erntete.
Sie verstand, dass er sich erniedrigt fühlte, weil er bei diesem Auftrag als Statist fungiert hatte. Aber sie konnte an seinen Gefühlen nichts ändern. »Ein klitzekleiner Gefallen noch«, bat sie. »Wenn du auf die Straße rausfährst, fahr bitte nach rechts statt nach links.«
Er legte den Gang ein und gehorchte.
Sie betrachtete das Gebäude genau, als sie vom Platz fuhren. Es stimmte. Es gab ein Einfahrtstor auf der Rückseite, verschlossen mit einem kräftigen Vorhängeschloss.
»Gut«, sagte sie und setzte sich gerade hin, »jetzt kannst du wieder in die Stadt fahren.«
10
Es war schon nach elf Uhr abends, als die Türen der T-Bahn sich schwungvoll öffneten. Frank Frølich stolperte heraus. Mitpassagiere hasteten an ihm vorbei, mit dem ganzen Körper Eile ausstrahlend, die Blicke auf den Boden geheftet, die Füße sehnten sich nach zuhause. Der kühle Abendluftzug drückte die Temperatur unter zwanzig Grad. Endlich war es wieder erträglich, draußen zu sein.
Er schlenderte langsam die Straße entlang. Als er an der Esso-Tankstelle vorbeiging, ertönte eine Autohupe. Jemand saß am Steuer eines geparkten schwarzen Volvos. Die Autotür ging auf. Es war Karl Anders.
Frank Frølichs Wiedersehensfreude bekam einen Dämpfer, als er sah, in welchem Zustand sein alter Freund sich befand: trüber Blick und halboffener Mund mit Schleimflecken in den Mundwinkeln. Karl Anders war offensichtlich betrunken und auf dem besten Wege, sich ziemlichen Ärger zu machen.
»Ich habe auf deinen Anruf gewartet«, sagte Frank Frølich langsam.
»Hast du Zeit zu reden?«
»Wenn du den Wagen stehen lässt.«
Sie gingen eine Weile Seite an Seite den Havreveien entlang, ohne ein einziges Wort zu wechseln. Auch im Fahrstuhl auf dem Weg zu Frølichs Wohnung sagten sie nichts. Karl Anders vermied jeglichen Blickkontakt.
Der Fahrstuhl blieb stehen. Frølich hielt seinem Freund die Tür auf, holte die Schlüssel aus der Tasche und schloss ihnen auf.
Es war erstickend heiß in der Wohnung. Den ganzen Tag lang war die Sonne durch die geschlossenen Fenster eingedrungen. Frølich öffnete die Terrassentür, um zu lüften. »Kaffee?«, fragte er, ohne sich zu Karl Anders umzudrehen.
»Du hast nicht vielleicht ein Bier da?«
Frank Frølich hatte immer Bier da. Zwei Sechserpacks standen im Kühlschrank. Lysholmer Ice - die Dosen standen in Reih und Glied und bewachten den braunen Ziegenkäse, der im Kühlschrank regierte, allerdings ohne Hofstaat und Untergebene.
Er stellte Bierdosen und Gläser auf den Tisch und ließ sich auf das Sofa fallen. »Ich habe mehrmals versucht, dich anzurufen, habe dir eine SMS geschrieben und dich gebeten, zurückzurufen, ohne Erfolg. Und bei der Arbeit warst du auch nicht.«
Karl Anders antwortete nicht. Seine Augen schwammen.
»Die Sekretärin hatte keine Ahnung, wo du bist.«
Karl Anders blieb stumm, trank und stellte die Dose ab.
»Vor allem wollte ich dir mein Beileid ausdrücken«, sagte Frank Frølich und dachte, was für unangenehme Worte das immer waren, und dennoch war es richtig, sie auszusprechen. Die Worte führten sie endlich zu dem Thema, worüber sie eigentlich sprechen mussten.
Karl Anders sah zu Boden. Als er den Kopf hob, war deutlich zu erkennen, dass er mit sich kämpfte.
»Frank ... stimmt es, dass du Veronika wegen irgendwelcher Kokaingeschichten eingebuchtet hast?«
»Wer hat das gesagt?«
»Veronika.«
Sie hatte es ihrem Verlobten also gebeichtet. Frank Frølich schwieg ein paar Sekunden und überlegte, wie er jetzt weiter vorgehen sollte. »Karl Anders«, sagte er.
Dieser griff wieder nach der Bierdose.
»Mein Team und ich versuchen herauszufinden, was mit Veronika passiert ist. Ich bin allen Kollegen gegenüber völlig offen, das geht nicht anders. Alle wissen, dass wir beide alte Freunde sind, alle wissen, dass ich bei deiner Feier war. Ich bin so offen, weil ein Mord immer die wildesten Spekulationen auslöst.«
Karl Anders sagte nichts.
»Norwegen ist ein kleines Land«, fuhr Frølich fort. »Wenn du eine Pauschalreise nach Kos oder Cypern buchst, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du einem Nachbarn oder einem seiner Verwandten begegnest. So klein ist die Welt, und so klein
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