Rein Wie Der Tod
sicher, ob sie ihn oder den Bruder beschattet hatten. Schließlich, das Sahnehäubchen: Veronikas Verhaftung. Die Beschlagnahme von Kokain aus ihrer Handtasche. Die Richterin hat sich in den Kopf gesetzt, dass dieser Mord an den Dreck erinnert, den sie in amerikanischen Krimiserien sieht. Tja, egal. Karl Anders Fransgård ist als freier Mann hinausspaziert. Er hat mir vor zwei Stunden den Stinkefinger gezeigt - wer hätte das in seiner Situation nicht getan? Aber wir müssen wieder von vorne anfangen. Ganz von vorne.«
Gunnarstranda ging zur Tür. »Und dabei brauchen wir deine Unterstützung«, sagte er säuerlich. »Jetzt ist Karl Anders Fransgård wieder frei, und du bist nicht mehr befangen. Nur dass du es weißt.«
Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss.
Frank Frølich betrachtete die geschlossene Tür mit einem Lächeln um den Mund.
18
Gunnarstranda spürte, wie der Ärger an ihm nagte, als er an der Haltestelle stand und auf den Bus wartete. Schließlich holte er sein Handy aus der Tasche und rief bei der Kommunalverwaltung an. Die Frau im Personalbüro war unfreundlich. Das Gerücht vom Freispruch Karl Anders Fransgårds war offenbar dort schon angekommen. Sie wollte nichts sagen.
»Aber Sie können mir doch wohl erzählen, wann er bei ihnen angefangen hat, oder? Wo hat er vorher gearbeitet?«
Die Frau ging widerwillig ins Archiv und ließ sich reichlich Zeit. Drei Minuten. Das elektronische Schild zeigte an, dass der Bus im Anrollen war. Eine Stimme ertönte an seinem Ohr. Karl Anders Fransgård habe vorher eine Stelle beim Norwegischen Wasserkraft- und Energiedirektorat, dem NVE gehabt. Gunnarstranda dankte ihr und unterbrach die Verbindung.
Das elektronische Busschild hatte eine Störung, also beschloss er, die Wartezeit mit etwas Nützlichem zu verbringen. Er rief beim NVE an.
Eine Dreiviertelstunde später warf er sich zuhause in den Sessel vor dem Bücherregal. Nach ein paar Sekunden stand er wieder auf und öffnete auch das andere Fenster. Dann setzte er sich wieder und genoss den Durchzug. Das Trompetensolo aus den Lautsprechern war angenehm und passte zur Stimmung und zur Hitze. »Was hören wir da?«, fragte er.
»Paolo Conte.«
Tove saß auf dem Sofa, vornübergebeugt. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie einen Faden. Am Ende des Fadens pendelte eine Schraube. »Italienischer Jazz«, sagte sie, »einfach wunderbar.«
Gunnarstrandas Blick hing an der Deckenlampe. Sie hatte recht. Die Musik harmonierte mit dem Klappern der Fensterhaken und dem Luftstrom vom halb offenen Fenster. Er schloss die Augen und fühlte, wie der Stress langsam von ihm abfiel. Das Geräusch von Metall gegen Glas ließ ihn die Augen wieder öffnen.
Tove spielte immer noch mit der Schraube an dem Faden.
»Was machst du da eigentlich?«
Sie reichte ihm den Faden.
»Das ist ein Pendel«, sagte sie. »Halt mal.«
Er richtete sich auf und nahm den Faden zwischen die Finger.
»Stell eine Frage.«
Er seufzte schwer und legte Schraube und Faden vor sich auf den Tisch.
»He-he«, sagte Tove kopfschüttelnd. »Rückzieher sind nicht erlaubt.«
Widerwillig griff er nochmals nach dem Faden. Hielt ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger und ließ ihn zwischen den Fingern baumeln. »Du willst, dass ich einer Schraube eine Frage stelle?«
»Hier geht es um das Energiefeld zwischen deinem Bewusstsein und dem, was du auch noch bist, wovon du aber nichts ahnst.«
»Dann ziehe ich einen Whisky mit Eis vor. Die beste Brücke zwischen der Vernunft und dem Irrationalen baut man mit guten Getränken.«
Sie stand auf.
»Bleib sitzen«, sagte er. »Wir sind moderne Menschen, und ich richte mich mit Freuden nach den heutigen Rollenvorstellungen. Ich kann uns einschenken.«
»Du bist vielleicht modern, aber du bist nicht schnell genug«, sagte sie grinsend und ging zu dem alten Überseekoffer, öffnete ihn und sah auf die Flaschensammlung hinunter. »Talisker?«
Er schüttelte den Kopf. »Einen Blend.«
»Chivas?«
Er nickte, und sie verschwand mit der Flasche in Richtung Küche. Mit geschlossenen Augen verfolgte er ihre Geräusche. Das Öffnen des Kühlschranks, bevor sie den Plastikbehälter mit Eiswürfeln gegen den Ausguss schlug.
Er öffnete die Augen und nahm den Drink entgegen. Prostete ihr zu. Tove schluckte und sagte:
»Warum musst du immer alles, was du nicht mit deinem Sinnesapparat beherrschen kannst, als Humbug abtun? Du weißt doch, dass es Tiere gibt, die Töne hören können, die das menschliche Ohr nicht
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