Rein Wie Der Tod
jetzt höre ich, dass das nicht der Fall war, dass ihr euch auseinandergelebt habt, so wie es in Romanen steht.«
Er konnte sehen, wie seine Antwort sie verunsicherte, aber sie traute sich nicht, darauf einzusteigen.
Sie sagte: »Wir haben uns mehrere Monate lang nicht gesehen, vielleicht ein halbes Jahr. Als wir uns wieder getroffen haben, erschien alles hoffnungslos. Wir hatten ein paar Dates, aber es fühlte sich an, als hätte es keinen Sinn, noch mal von vorn anzufangen. Trotzdem haben wir den Kontakt gehalten, auf Partys und so. So hat er dann Veronika kennengelernt - auf einer Party.«
Ihr Blick ging in die Ferne. Plötzlich streckte sie abrupt den Arm aus und stützte sich gegen die Wand.
»Alles okay?«, fragte er.
»Jetzt ist Kristoffer erwachsen«, sagte sie und hatte die Fassung wiedergewonnen. »Die Dinge haben sich verändert.«
»Was ist mit Veronika?«
Sie schloss die Augen.
Er wandte sich ab, ließ sie in Ruhe.
Als sie wenig später aus dem Bad kam, wirkte sie ruhiger und selbstsicherer. Sie stellte sich vor ihn hin, die Arme vor der Brust verschränkt. »Ich weiß, das klingt kalt und zynisch«, sagte sie. »Aber Veronika ist tot. Sie ist nicht mehr da. Weder ich noch Karl Anders können aufhören zu leben - nur weil sie tot ist.«
Sie dachte kurz nach und fuhr dann fort: »Vielleicht würde ich das alles anders sehen, wenn Karl Anders mir nicht so nahe wäre. Als wir wieder zusammenkamen, hat es sich ganz richtig angefühlt. Eine große und tiefe Sehnsucht fiel von uns beiden ab. Wir wären in jedem Fall früher oder später wieder zusammengekommen. Ich weiß das. Er weiß das. Deshalb ist es so wichtig, dass Veronikas Schicksal nicht unser Leben zerstört, wenn wir jetzt noch mal neu anfangen. Ich hatte Veronika gern. Karl Anders hatte sie auch gern. Aber sie haben sich nicht geliebt. Ich weiß, es klingt merkwürdig, wenn ich das so behaupte, aber es ist wahr. Ich weiß es, ganz tief drinnen. Und nach ihrem Tod habe ich einen einzigen Fehler gemacht. Es war falsch von mir, dir die Wahrheit zu sagen. Hätte ich gewusst, was Karl Anders dir erzählt hat, dann hätte ich ohne zu zögern gelogen. Ich hätte gesagt, dass er und ich zusammen waren an dem Abend, als sie ermordet wurde. Dann hätte niemand einen Grund gehabt, ihn zu verdächtigen, niemand hätte einen Grund gehabt, ihn zu verhaften. Deshalb kann ich nicht aufhören, dir Vorwürfe zu machen. Du hast mich hinters Licht geführt. Als du mich hinters Licht führtest, hast du Karl Anders verraten. So hast du den kleinen Rest von Liebe beschmutzt, an den wir uns geklammert haben, um noch mal von vorn anzufangen. Das werde ich dir nie verzeihen - und Karl Anders wird das auch nicht tun. Du hast dein Spiel so elegant gespielt, du hast sogar Kristoffer noch mit reingezogen und mir so die Chance genommen, zu lügen, mir die Möglichkeit genommen, Karl Anders zu retten. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass Karl Anders Veronika nicht umgebracht haben kann. Nicht eine Sekunde glauben wir das - weder du noch ich.«
Er ging an ihr vorbei. Öffnete die Wohnungstür und hielt sie auf.
Sie stand noch an derselben Stelle.
»Verschwinde«, sagte er.
Sie zögerte, ging dann aber an ihm vorbei hinaus.
Frank Frølich schloss die Tür, ohne ihr hinterherzuschauen. Blieb hinter der Tür stehen, während sich der Fahrstuhl irgendwo in den oberen Etagen in Bewegung setzte. Stand noch hinter der Tür, als er hielt, als die Fahrstuhltür geöffnet wurde, als sie zuschlug und der Fahrstuhl Janne Smith ins Erdgeschoss brachte.
Dann ging er zurück ins Wohnzimmer und sank auf das Sofa, lehnte den Kopf zurück und betrachtete die Bierdose auf dem Regal über dem Kamin. Ihm war, als sei diese Bierdose der Repräsentant seines alten Freundes. Sie hatte alles gehört und gesehen, stellvertretend für Karl Anders.
17
»Und was machst du so?«, fragte Gunnarstranda aus der Türöffnung.
Frank Frølich sah vom Tisch auf, schuldbewusst. »Rosalind M'Taya«, erklärte er. »Versuche, ihre Bewegungen vor ihrem Verschwinden zu rekonstruieren.«
»Ist der Fall Veronika nicht wichtiger?«
»Du hast ja schon jemanden verhaftet«, antwortete Frølich knapp.
Gunnarstranda antwortete nicht sofort. Er schloss die Tür hinter sich. »Überwachungskameras«, seufzte er, nahm eine DVD in die Hand und schüttelte den Kopf. »Ich hasse Überwachungskameras. Dieses ganze technische Zeugs ist Scheiße. Elektronische Spuren, sagen sie und wollen mir weißmachen, dass
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