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Rein Wie Der Tod

Rein Wie Der Tod

Titel: Rein Wie Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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wahr und was gelogen war. Und dann schleichen sich Verschwörungsgedanken ein. Dann werden auch die alten Erinnerungen zerfleddert. Wenn es so weit kommt, hast du nichts mehr - weder die Wahrheit noch die Erinnerung an schöne Momente, auf die du dich stützen kannst.«
    Frank Frølich hatte keine Lust, die Formulierung Erinnerungen an schöne Momente zu kommentieren.
    Beide schwiegen. Dann brach schließlich Gunnarstranda die Stille. »Das hier ist Veronikas Geheimnis, ob du nun willst oder nicht.« Er wedelte mit den beiden Fotos.
    »Okay«, sagte Frølich. »Ich habe eine Idee, was diesen Typen angeht.« Er schnappte sich die Fotos und ging zur Tür.
    »Und wo willst du hin?«
    »Nach Tusenfryd«, sagte Frølich kurz. »Da sind die Fotos doch entstanden, oder?«

20
    Obwohl die Luft etwas abgekühlt war und sich über den Hügeln vereinzelte bedrohliche Gewitterwolken aufbauten, stand der Parkplatz vor dem Freizeitpark Tusenfryd voller Autos und Busse. Der Mann, der ihn vor dem Verwaltungsgebäude erwartete, war ein großer, hagerer Vestländer in kurzärmeligem Hemd mit einem Schlips in den Farben und dem Muster einer Zuckerstange.
    »Sie haben Glück«, meinte er. Der Mitarbeiter, der gerade die Fotos vor dem Wasserfall verkaufte, war offensichtlich derselbe, der an dem aktuellen Tag auch dort gearbeitet hatte.
    Frølich verbeugte sich zufrieden und folgte dem Mann, der sofort das System erklärte, nach dem die jungen Sommeraushilfen arbeiteten: Am wichtigsten waren das Engagement, der Wille, Service zu leisten, und die gute Laune. »Wir versuchen, ihnen einzutrichtern, dass sie Botschafter sind und das Gesicht des Freizeitparks nach außen darstellen.« Er erklärte, die jungen Leute bekämen Punkte, je nachdem wie sie sich anstellten. Eine bestimmte Punktzahl brachte nach einem Rangsystem Auszeichnungen, und die Angestellten bekamen dafür Farbplaketten, also handfeste Beweise für den eigenen Erfolg. Diese Plaketten führten wiederum dazu, dass ihre Vertrauenswürdigkeit zunahm und sie noch weiter aufstiegen. Diejenigen, die sich über mehrere Saisons ausgezeichnet hatten, wurden möglicherweise zu Arbeitsgruppenleitern ernannt. »Ich glaube an Konkurrenz in der Entwicklung von Führungsqualitäten«, sagte der Mann mit seinem schnarrenden Akzent. »Und ich glaube an die Frauen. Wenn wir unsere Gruppenleiter rein statistisch betrachten, dann sind es schlicht und einfach in der Mehrzahl Frauen.«
    Frank Frølich hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, während sie den asphaltierten Weg entlanggingen. Er wich Kindern aus, die mit Zuckerwatte in den Händen herumrannten, die aufgeregten Eltern auf den Fersen. »Der ist neu dieses Jahr«, sagte der Vestländer und zeigte auf einen Turm am Ende einer langen Menschenschlange. Dort hinten hörte man die Gäste unisono kreischen, während die neue Maschine in einem akrobatischen Salto deren Eingeweide durcheinanderwirbelte. Der Vestländer sammelte im Gehen ein Eispapier auf und warf es in einen Abfallkorb. Mit einem Taschentuch wischte er sich die Eisreste von den Fingern. Frank Frølich trat in Popcorn aus einem umgekippten Pappbecher, den der Mann übersehen hatte. Gurrende Tauben mit Popcorn im Schnabel huschten vor ihren Füßen zur Seite.
    Der Mann bekam einen Anruf.
    Sie blieben stehen.
    Frølich blickte umher. Das Kettenkarussell drehte sich, und die sich festklammernden Gäste schrien in den Kurven. Ein Stückchen weiter ratterte ein traditionelleres Karussell. Ein vielstimmiges Stöhnen ertönte hinter ein paar Bäumen, als die neue Attraktion einen neuen Salto vollführte. Frank Frølich dachte an seine eigene Kindheit, während er das Geräusch schneller Schritte, das Zischen pneumatischer Installationen, das Rattern von den Schienen der Achterbahn in sich aufnahm, das immer langsamer wurde und fast aufhörte, bis der große Fall kam und ein allgemeines Begeisterungsgeschrei auslöste. Er atmete den Duft von Bratenfett, gebranntem Zucker und Parfümwölkchen junger Mütter ein. Solche Orte haben alle die gleiche Atmosphäre, dachte er: das Tivoli in Kopenhagen, Liseberg in Göteborg, Disneyland in Anaheim ... Er konnte die Verbindungsfäden sogar bis zu den wandernden Jahrmärkten seiner Kindheit ziehen, als lange Lastwagen vor den Museen in Tøyen campierten und Autoscooter-Bahnen und Losbuden aufbauten. Als Teenager hatten er und Karl Anders einmal einen ganzen Abend damit verbracht, kleine Teddybärfiguren abzuschießen, die in einem quadratischen

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