Rein Wie Der Tod
Jeder zweite Vers und fast jede zweite Verszeile. Gunnarstranda fuhr wippend und schnippend den Tåsenveien zum Nordre Gravlund hinunter. Plötzlich spürte er eine innere Unruhe, fuhr an die Seite und hielt an. Machte die Musik aus.
Er konnte sich die Unruhe nicht erklären. Stieg aus dem Wagen, sah sich um. Es war wenig Verkehr und so wenig Lärm, dass er die Rufe der Leute hören konnte, die in Voldsløkka trainierten. Plötzlich musste er an die Schrebergärten denken, die abgeschirmt hinter den Häusern in der Stavangergate lagen. Einen Sommer lang war er ein bisschen mit Evelyn gegangen, die solch einen Schuppen in der Stadt hatte. Er hatte sogar ein paarmal dort übernachtet, vor vielen Jahren.
Waren es die Erinnerungen an Evelyn, die ihn hatten anhalten lassen?
Nein, dachte er schließlich. Der Gedanke an sie hatte ihn erst gestreift, nachdem er aus dem Wagen gestiegen war. Es war etwas anderes, das ihn hier hatte anhalten und aussteigen lassen. Aber was?
Seine Wohnung lag nicht weit entfernt. Östlich vom Tåsenveien lagen Voldsløkka und die Schrebergärten, während die Städtebauingenieure der Nachkriegszeit weiter im Süden um die Gråbeinsletta herum Wohnblocks gequetscht hatten. Ein Kamm grüner Baumkronen wogte über dem Nordre Gravlund.
Gunnarstranda drehte sich um und sah die Straße hinauf. Nördlich und westlich des Tåsenveien lagen Einfamilienhäuser und Reihenhäuser. Sie bildeten den Randbereich der Nobelstraßen in den älteren Monopoly-Ausgaben - Ullevål Hageby - und zwischen den funktionalistischen Wohnblöcken und dem Friedhof lag der obere Teil der ...
Uelandsgate.
Früher einmal war die Uelandsgate eine moderne Avenue gewesen. Eine vierspurige Straße mit einem Grünstreifen in der Mitte.
Die Erkenntnis traf ihn im selben Moment:
Hier hatte Sivert Almeli den unbekannten Mann fotografiert!
Aber er stand an der falschen Stelle.
Er befand sich mitten in dem Foto. Almeli hatte mit der Kamera weiter die Straße hinunter gestanden, die Linse in seine Richtung gerichtet - nach Norden. Gunnarstranda konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das hier war schließlich sein Gebiet. Sein halbes Leben hatte er in einer Wohnung verbracht, die knappe siebenhundert Meter Luftlinie entfernt lag. Unzählige Male war er abends eine Runde um Voldsløkka herumgelaufen, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Sivert Almeli musste sich an den Kreisverkehr gestellt haben, wo die Uelandsgate auf die Kiershowsgate trifft. Von dort aus hatte er eine Person fotografiert, die in ein parkendes Auto einstieg ...
Gunnarstranda ging langsam die Straße entlang. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Der Wagen stand immer noch dort.
Es war ein dunkelgrüner Mercedes. Gunnarstranda ging an dem Wagen vorbei, an die Stelle, wo Sivert Almeli höchstwahrscheinlich gestanden hatte, als er die Fotos aufnahm. Eine Bushaltestelle mit Schutzdach. Unter dem Schutzdach - eine kleine Bank.
Almeli hatte dort entweder gesessen und auf den Bus gewartet oder so getan als ob. Von diesem Platz aus hatte er Fotos von einem Mann gemacht, der sich in einen Wagen setzte und davonfuhr.
Gunnarstranda rief Lena Stigersand an und bat sie, das Autokennzeichen zu überprüfen. Drei Minuten später hatte er sie wieder in der Leitung.
»Der Wagen gehört einem gewissen Erik Valeur«, sagte sie und buchstabierte den Namen. »Hab in den Gelben Seiten nachgesehen. Der Mann ist Psychologe. Hat eine Praxis in der Hortensgata und eine Privatadresse in Bærum . Was tun wir jetzt?«
Gunnarstranda dachte nach. »Gib mir die Telefonnummer.«
Es klingelte ganze fünf Mal, bevor der Anrufbeantworter sich einschaltete.
»Dies ist der Anrufbeantworter der psychologischen Praxis von Erik Valeur. Ich bin im Moment mit einem Klienten beschäftigt, aber meine Telefonzeit ist zwischen zwölf und halb eins an allen Werktagen. Sollten Sie sofortige Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an ...«
Gunnarstranda unterbrach die Verbindung und schlenderte langsam zu seinem Wagen zurück.
27
Die Fahrstuhltür war dabei, sich zu schließen, als ein Joggingschuh sie bremste. Mustafa Rindal, in Shorts und Polohemd der Marke Red Bull, sprang in den Fahrstuhl. Er war auf dem Weg zum Training. Seine Kleider rochen nach Schweiß, und er kaute Kaugummi. Merkwürdigerweise schien er gute Laune zu haben.
Gunnarstranda verstand beim besten Willen nicht, warum manche Menschen ihr Sportzeug unbedingt im Büro statt in der Umkleidekabine anziehen mussten. Er versuchte
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