Reinen Herzens
Hilfsorganisation ausgedacht. Vermutlich sei es nur eine jung aussehende Prostituierte gewesen. Jedenfalls hat er sie weggeschickt.«
»Sie scheinen das nicht zu glauben – warum?« Larissa schlug ihr Notizbuch auf.
»Sie können meinetwegen mitschreiben, Frau Redakteurin«, sagte die Wirtin mit Blick auf den Block, »aber bitte verwenden Sie meinen Namen nicht. Ich will keinen Ärger bekommen.«
Larissa nickte. »Versprochen. Die Notizen sind nur für mich.«
Blanka Horáková sah sie nachdenklich an und gab sich schließlich einen Ruck. »Na schön.« Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee und fuhr fort: »Warum ich das nicht glaube? Nun, weil meine Freundin sagte, sie habe vor dem Haus einen Kinderwagen stehen sehen. Und ein Mann habe dabeigestanden, als das Mädchen einstieg. Irena, meine Freundin, war gegenüber in einem Kiosk gewesen und hat es gesehen, als sie herauskam. Sie hatte sich zuvor schon über den Kinderwagen auf dem Bürgersteig gewundert, es war schon dunkel, also ziemlich spät. Sie ist ins Auto gestiegen und hinterhergefahren.«
»Ich verstehe nicht ganz, was hat es mit dem Kinderwagen auf sich?«
»Es gibt Leute, die sagen, dass man daran erkennen kann, wo man ein Mädchen, ein Kind, kriegen kann, wenn man … Sie wissen schon. Es ist ein grässlicher Gedanke. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Vermutlich war der Kinderwagen nur Sperrmüll. Die Gegend, wo es war, ist ziemlich runtergekommen.«
»Und woher wusste Ihre Freundin davon? Sie lebt ja nicht hier, nicht wahr?«
»Nein, sie lebt in Prag, schon seit vielen Jahren. Sie war nach sehr langer Zeit zum ersten Mal wieder hier. Wir hatten über dies und das gesprochen am Abend zuvor, über alte Freunde und was sich so in der Gegend verändert hat – Sie wissen schon, wie man so quatscht über alte Zeiten und neue Scheußlichkeiten. Es hat sich viel verändert, seit sie fortgegangen ist. Wir haben über Kinder gesprochen … Sie suchte … aber das hat nichts damit zu tun. Jedenfalls kam irgendwie die Sprache auf die Prostituierten und die Sache mit den Kinderwagen. Ich hatte auch schon davon gehört.«
»Die Polizei denkt also, das mit dem Kinderwagen sei ein Gerücht, ja?«
»Sieht so aus … Wissen Sie, es gibt viel Korruption – auch bei der Polizei. Manche halten die Hand auf – und machen dafür die Augen zu.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber bitte, das bezieht sich nur auf die, na ja, auf die normale Prostitution.«
»Wollen Sie damit sagen, dass es Polizisten gibt, die an so etwas mitverdienen?«, fragte Larissa empört.
Die Wirtin sah Larissa mit einem zynischen Lächeln an. »Sagen wir mal so – es würde mich nicht wirklich überraschen. Sehen Sie, nur ein besonders krasses Beispiel – wir haben hier in der Gegend einen Unternehmer, von dem alle wissen, wie er zu seinen Millionen gekommen ist …«
»Wie denn?«, fragte Larissa. Jedes Thema war ihr recht, Hauptsache, es hatte nichts mit Kindern und Prostitution zu tun.
»Angefangen hat er vor der Samtenen Revolution als Geldwechsler. Eigentlich hat er hier in der Nähe bei einer Bergwerksgesellschaft gearbeitet, der Geldwechsel war nur ein Nebenerwerb, sozusagen. Das war damals natürlich illegal, und er wäre auch fast im Gefängnis gelandet, aber offenbar hatte er Freunde an der richtigen Stelle. Als das Bergwerk Anfang der Neunzigerjahre schloss, hat er mit Wechselstuben weitergemacht und ist nebenbei unter die Zuhälter gegangen, da gab es noch mehr Geld zu machen. Er hatte bald eine ganze Reihe Frauen, die für ihn arbeiteten. Damals standen sie abends in der ganzen Stadt an den großen Straßen und außerhalb an den Landstraßen bis zur Grenze – ist ja nicht weit. Die Nachfrage aus Deutschland war sehr groß. Die Prostituierten hier haben es für einen Bruchteil von dem gemacht, was es drüben kostet. Und ohne Schutz. Er hat angeblich sogar Frauen importiert, aus dem Osten. Außerdem noch allerlei anderes, womit sich illegal viel Geld verdienen ließ. Inzwischen ist er ein angesehener Unternehmer – Immobilien vor allem, soweit ich weiß, und alles ist ganz legal und ehrenwert. Er hat auch einen eigenen Sicherheitsdienst, der den Ruf hat, nicht sonderlich zimperlich zu sein. Und es gibt eine ganze Reihe dubioser Gestalten, die mit ihm in Verbindung gebracht werden. Nur Beweise gibt es keine, für nichts. Der Herr pflegt seine weiße Weste sehr gewissenhaft.«
»Und niemand stört sich daran? Ich meine: an seiner Vergangenheit? Wenn doch alle
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