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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Ahnung gehabt, was in seiner Abwesenheit alles passiert war. Außer David Anděls Tod, von dem immerhin hatte man ihn informiert. Ota dankte dem Himmel, dass er das nicht auch noch hatte tun müssen. Es Magda sagen zu müssen, hatte ihm genug zugesetzt. Und nun saß er allein hier vor dem Staatsanwalt, den der Tod eines seiner besten Ermittler ganz offensichtlich auch tief getroffen hatte, obwohl er standhaft versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und war mit seinem Bericht erst mal fertig. Es war eine unangenehm ungewohnte Situation; bisher hatte diese Gespräche immer David Anděl geführt, Ota war zwar in der Regel dabei gewesen, hatte aber selten viel zur Diskussion beigesteuert. Er hatte sich lieber an die süßen Schweinereien, wie er sie gerne liebevoll nannte, gehalten, die Otčenášeks Sekretärin Frau Bartošová immer mit dem obligatorischen Kaffee hereinbrachte, wenn der Staatsanwalt Besuch hatte. Heute waren es Wespennester. Ein zarter, dunkelbrauner, ungebackener Teigmantel in Form eines kleinen Wespennestes aus gemahlenen Biskuit-Keksen und Haselnüssen, Zucker, Butter, Rum und echtem Kakao, gefüllt mit einer göttlichen Buttercreme und verschlossen mit einem hellen Biskuit-Keks. Nicht einmal Otas in Backdingen begnadete Großmutter hatte bessere Wespennester gemacht. Eigentlich eines der vielen Lieblingsgebäcke von Ota, traute er sich heute nicht zuzugreifen, da die ganze Aufmerksamkeit des Staatsanwalts auf ihn gerichtet war. Wobei ganze Aufmerksamkeit nicht das richtige Wort war, denn das Väterchen, wie der Staatsanwalt ebenso respekt- wie liebevoll von seinen Untergebenen genannt wurde, war mit seinen Gedanken ebenso wenig bei der Sache wie Ota. Er schien fahrig und zerstreut, was eigentlich gar nicht seine Art war. Vermutlich wegen der Sache mit David, dachte Ota, der dafür volles Verständnis hatte, ihm selbst ging es nicht anders. Seine Augen allerdings konnte der Inspektor kaum von der üppig gefüllten Schale lassen, die zwischen ihm und dem Staatsanwalt stand. Er liebte Süßigkeiten jeder Art, aber die von Frau Bartošová ganz besonders.
    »Nun greifen Sie doch endlich zu, Ota«, sagte das Väterchen. »Dieser Hundeblick ist ja zum Steinerweichen. Sie können das noch besser als meine Enkelin – und die ist Weltklasse darin.« Er lächelte und griff selbst zu.
    Ota gab sich einen Ruck und schnappte sich auch ein Wespennest. Er biss genüsslich hinein. Ja, da wurde einem warm ums Herz. Es ging ihm gleich deutlich besser.
    »So«, fuhr das Väterchen fort, nachdem er sich die Krümel von der Krawatte gefegt hatte. »Habe ich Sie richtig verstanden, dass unser allseits so beliebter Oberst mal wieder – bitte verzeihen Sie meine Wortwahl – granatenmäßigen Mist gebaut hat, was ich im Übrigen noch am ehesten zu glauben bereit bin; dass der Geheimdienst Kommissar Anděl vom Tatort entführt und gleichzeitig eingefädelt hat, dass er für tot erklärt wurde; dass eine Frau vom Tatort verschwunden ist – wohlgemerkt, nicht ohne Blut- und andere Spuren zu hinterlassen –, und zwar nicht irgendeine Frau, sondern ausgerechnet Eva Urbanová, die Abteilungsleiterin für organisierte Kriminalität im Innenministerium; dass eine junge Anwältin aus der Kanzlei Kafka und Partner Ihnen von allerlei illegalen Geschäften des Seniorpartners, von Kalaschnikows und Maschinen, mutwillig entfernten Fingerabdrücken, verschwundenen Zigaretten, roten Rosen und zu guter Letzt von einem Attentat auf David erzählt hat, welches Kafka selbst mit weiteren, bisher unbekannten Personen abends in seinem Büro geplant haben soll; dass in der Urne aus dem Krematorium Zement war statt Asche, und dass Sie und unser verhinderter Moritaten-Dichter Dr. Kratochvíl sowie unsere anmutige Frau Dr. Axamit deshalb glauben, dass David noch lebt, obwohl es einen gültigen Totenschein gibt?« Er griff nach einem weiteren Wespennest und ließ sich nach hinten in seinen weich gepolsterten Bürostuhl sinken. »Ota, es fällt mir ehrlich gesagt schwer, das alles zu glauben. Noch dazu im Prinzip vor dem Frühstück. Die Wespennester zählen nicht. – Sie sollten das aufschreiben und an eine Filmgesellschaft verkaufen. Mit derart absurden Geschichten kann man Millionen verdienen. Jedenfalls, wenn man sich anschaut, was so im Kino läuft. Vom Fernsehen ganz zu schweigen.«
    Ota zuckte mit den Achseln und trank einen Schluck Kaffee. »Ich weiß, es hört sich ziemlich, na ja, weit hergeholt an, aber welcher andere Schluss

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