Reinen Herzens
all der Zeit. Und er hat einen großen Radius. Man trifft ihn in den unwahrscheinlichsten Ecken. Sogar drüben bei Stará Voda habe ich ihn gesehen, das ist noch nicht lange her. Hat sich bei den alten Bergwerken rumgetrieben. Beim Kammerbühl drüben bin ich ihm auch schon über den Weg gelaufen. Immer nur nachts.«
»Aber …«
»Und neulich hier in der Nähe, auf einer Lichtung. Und dann am See, als dieser Typ den Wagen im See versenkt hat … ich frage mich immer noch, warum … Deshalb habe ich unter anderem David angerufen.«
Larissa horchte auf. »Jemand hat einen Wagen im See versenkt? Wo?«
»Hier, im Amerika-See, auf der anderen Seite. Das Auto hatte ein Prager Kennzeichen. Ich dachte noch, es sei ein ziemlich weiter Weg, um Schrott zu entsorgen. Ich muss noch dem Inspektor Bescheid sagen.« Er seufzte. »Die Leute sind Schweine – entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, aber anders kann man das nicht nennen. Überall im Wald sind wilde Müllkippen. Widerlich. Erst vor ein paar Tagen habe ich einen ausgebrannten Kombi auf einer Waldlichtung gefunden. So was von ausgebrannt, das habe ich noch nie gesehen.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich habe die Polizei gerufen, und die haben dann tatsächlich Knochen drin gefunden. Und im Kofferraum war ein gutes Dutzend alte Nähmaschinen, die hatten natürlich nur noch Schrottwert. Schade um die guten Dinger. Schon verrückt, was man alles im Wald findet.«
»Was waren das für Knochen? Wissen Sie das?« Larissa schnupperte Morgenluft. Vielleicht konnte sie ja damit etwas anfangen. Die Nähmaschinen fand sie weit weniger interessant.
»Menschenknochen, wie es aussieht.«
»Tatsächlich? Woher wissen Sie das? Ich meine, doch sicher nicht von der Polizei, oder doch?« Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Inspektor das jemandem freiwillig auf die Nase binden würde.
»Ach wo, der Inspektor würde mir freiwillig nicht mal die Uhrzeit verraten. Der hat mich gleich weggeschickt, als er bei dem Wagen ankam. Aber ich war nicht allein unterwegs. Hatte einen guten Freund dabei, wir gehen zusammen jagen, schon seit vielen Jahren. Der durfte natürlich bleiben, ist Rechtsmediziner in Karlsbad. Er hat die Knochen nach Prag geschickt, die haben dort wohl einen Anthropologen. Aber er war sich ziemlich sicher, dass es sich um einen verbrannten Menschen gehandelt hat. War nicht mehr viel übrig, sagte er, nur eine Handvoll verkohlter Knochenstücke und ein paar Zähne. Muss gebrannt haben wie Hölle.«
»Das war ja ein Glücksfall für den Inspektor …«
Mottl lachte bitter auf. »Von wegen. Der war verdammt sauer, als Tatarka die Knochen unter der ganzen Asche vom Wagenboden aufgeklaubt hat. Und dann wollte Tatarka partout nicht darauf eingehen, dass es Tierknochen sein könnten. Wegen der Zähne. Da war unser Inspektor gar nicht glücklich. Ist Arbeit. Und weil es Menschenknochen sind, verhagelt es ihm auch noch seine Statistik.«
Er schwieg einen Moment, dann fuhr er leise fort, als denke er laut nach: »Wundert mich eigentlich, dass Hermiona nichts davon gesagt hat … dabei war sie dort …«
Larissa machte sich eifrig Notizen. Ein ausgebranntes Auto mit menschlichen Knochen darin, ein weiteres versenkt in einem See. Wunderbar. »Hermiona ist das kleine Mädchen von dem Bild, nicht wahr? Wohnt sie denn in der Nähe dieser Lichtung?«
»Hm, sozusagen. Bei ihrer Großmutter. Einsames Haus. Nicht allzu weit vom Kammerbühl.«
»Sie haben Hermiona dort gesehen? Bei dem Wagen?«
»Wie? Äh, nein, nein … aber sie war dort, nicht lange vor uns. Ich habe ihre Schuhabdrücke gesehen. Sie hat nur ein Paar Winterstiefel – ich kenne die Spuren.« Er lächelte. »Sie ist viel im Wald unterwegs.«
»Das ist doch aber ziemlich gefährlich. So ein kleines Mädchen … Hat sie denn niemanden außer ihrer Großmutter, der sich um sie kümmert?«
»Nein. Keine Ahnung, was mit ihren Eltern passiert ist. Eines Tages war sie einfach da. Sie kann nur ein paar Tage alt gewesen sein. Hab nie danach gefragt. Die alte Frau Jahodová erzählt nicht gerne. Die redet überhaupt nur selten mit anderen Leuten. Bis sie das Mädchen zu sich nahm, wusste ich gar nicht, dass sie selbst eine Tochter hat. Gehabt hat. Wie auch immer.«
»Ich würde gerne mit ihr sprechen, Herr Mottl. Können Sie mir sagen, wie ich zu dem Haus komme?« Larissa zog ihren Stadtplan von Cheb und Umgebung heraus und faltete ihn auf dem Tisch auseinander.
»Einfacher ist es, Sie gehen
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