Reinen Herzens
zu Valeska Axamit, da verbringt Hermiona die meiste Zeit, wenn sie nicht in der Schule ist – oder im Wald.«
Larissa sah überrascht auf. »Valeska Axamit? Das trifft sich ja gut, ich kenne ihre Schwester. Wo wohnt sie denn?«
Er beugte sich über den Plan und deutete auf eine Stelle zwischen zwei Landstraßen. »Das ist gleich außerhalb von Franzensbad, jenseits der Bahngleise nach Vojtanov. Sie müssen nur die Americká-Straße immer geradeaus gehen, dann über diese Kreuzung und danach den Schildern folgen zur Stecker-Mühle. Ist ein hübscher Spaziergang. Aber seien Sie vorsichtig, Hermiona mag es gar nicht, wenn man versucht, sie auszufragen. Da ist sie ganz wie ihre Großmutter. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm … Die Oma war neulich fuchsteufelswild wegen dieses Frauenzimmers aus Prag, das bei ihr rumgeschnüffelt hat.« Mottl griff nach der Teekanne. »Noch ein bisschen Tee?«
»Gerne. Danke. Was wollte diese Frau denn bei ihr?« Wie schön, dass Gustav Mottl so gern erzählt, dachte sie. Ein Glücksfall für einen Reporter.
»Ach, ich weiß das alles nur vom Hörensagen, Hermiona hat es mir erzählt. Erst hat sich diese Frau nach alten Nähmaschinen erkundigt. Wollte sie kaufen, angeblich für ein Antiquitätengeschäft. Aber dann wollte sie angeblich plötzlich wissen, ob die alte Frau etwas über ein Baby weiß. Es ging, glaube ich, um ein verschwundenes Kind. Irgendein Arzt hatte ihr angeblich geschrieben, dass das Kind, das sie vor Jahren hier zur Welt gebracht hatte, doch nicht tot gewesen sei. Die Frau war wohl in heller Aufregung. Aber wer weiß … Das hat mir, wie gesagt, Hermiona erzählt, nicht ihre Großmutter. Manchmal versteht die Kleine auch was falsch. Ist halt doch noch ein Kind, auch wenn sie gern so tut, als wisse sie schon alles.«
»Aha … aber konnte der Arzt ihr denn nichts Genaueres sagen?«
»Hätte er wohl können, aber bis sie hier ankam, war er verstorben. Wollte angeblich mit reinem Herzen von dieser Welt gehen. Na, meines Erachtens hat er nur noch mehr Probleme in die Welt gesetzt mit dieser halbseidenen Beichte. Hermiona war ganz durch den Wind für ihre Verhältnisse. Weiß gar nicht, warum. Hat ja nichts mit ihr zu tun. Diese Frau war auch bei der Klímová, die war Hebamme im Krankenhaus in Cheb, ist im Herbst in Rente gegangen. Vielleicht ist damals was schiefgelaufen. Fehler passieren immer wieder.«
»Hat die Frau ihr Kind denn gefunden?« Wie gemein, dachte sie, einen Menschen auf so eine Spur zu setzen, ohne Genaues zu verraten. Und dann einfach zu sterben. Sie gab dem Förster insgeheim recht, der Arzt hätte den Mund halten sollen.
»Nicht, dass ich wüsste. Ich habe die Klímová gefragt, weil Hermiona so verstört war, und sie hat erklärt, dass an der Sache nichts dran ist. Muss ein Missverständnis gewesen sein. Immerhin gebe es einen Totenschein, sagte sie. Sie war wohl damals dabei gewesen, bei der Geburt, meine ich. Aber sie hat bestätigt, dass die Dame auch bei ihr war – wegen des Kindes und wegen des Ankaufs von Nähmaschinen. Tragische Geschichte. – Ja, der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Der Arzt hätte den Mund halten sollen, das ist meine Meinung, was auch immer die wert sein mag. Er hat sein reines Gewissen gekriegt und die anderen nichts als Ärger und Herzschmerz. Die Frau tut mir aufrichtig leid. Aber immerhin hat die Klímová ihr ihre alte Nähmaschine verkauft. War also nicht ganz vergebens, die Sache. Tja, und dann ist sie weggefahren, die arme Seele.«
»Die Arme, mit Hoffnungen ankommen und dann nichts finden … scheußlich.« Nähmaschinen, dachte sie, da war doch was … Es wollte ihr nicht einfallen.
Sie schwiegen eine Weile. Mottl schenkte Tee nach und gab einen kräftigen Schuss Rum in seine Tasse.
»Sie sagten vorhin, dass ein Kollege von mir hier war«, nahm Larissa schließlich das Gespräch wieder auf. »Das war nicht zufällig John Ketchum? Ein Amerikaner?«
»Doch, der war’s. Den Namen habe ich mir gemerkt, hört sich an wie Ketchup.« Er kicherte. »Auch ein Freund von Ihnen?«
»Ich habe ihn erst heute kennengelernt. Und … äh, also, er hat mir so eine seltsame Geschichte erzählt. Von Uranbergwerken und so …«
»Ja, ja. Die hatten es ihm angetan.« Mottl kicherte wieder. »Hat was von Schmuggel erzählt und hatte allerlei Verschwörungstheorien parat. Eine wilder als die andere. Komischer Vogel. Aber ein netter Kerl. – Sie interessieren sich auch für die
Weitere Kostenlose Bücher