Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
D-Mark-Bestände. 13,6 Milliarden Mark soll es in Deutschlands Haushalten nach Angaben der Bundesbank noch geben, und man wird den Eindruck nicht los, dass das Land seinen Zahlungsverkehr von heute auf morgen wieder auf die geliebte Währung umstellen könnte. Zumal in Zeiten, in denen der Euro etwa so hart ist wie ein Stück Butter, das seit vier Stunden neben der heißen Herdplatte liegt.
Wer weiß, vielleicht werde auch ich eines Tages das kleine grüne Kästchen herausholen, in dem ich eine fast komplette D-Mark-Serie aufbewahre. Vom Pfennig bis zum 100-Mark-Schein ist alles dabei, gut verpackt, sicher abgeschlossen.
Den kleinen Schlüssel habe ich neulich durch Zufall beim Aufräumen gefunden. Jetzt muss mir nur noch einfallen, wo ich das grüne Kästchen hingetan habe …
Sparen ist unser Sex
Kennen Sie den? Ein Amerikaner, ein Italiener und ein Deutscher finden auf der Straße jeweils einen 100-Euro-Schein. Der Amerikaner läuft damit zur nächsten Bank, tauscht die Euros in Dollars um und nimmt einen Kredit auf, mit dem er sich endlich den superneuen, superteuren Fernseher kaufen kann. Der Italiener lädt in seiner Lieblingsbar zwei hübsche Frauen auf ein paar Drinks ein und nimmt eine (oder gleich alle beide) mit nach Hause, als das Geld ausgegeben ist.
Und der Deutsche? Der zahlt den 100-Euro-Schein brav auf sein Sparbuch ein, rechnet die anderthalb Prozent Zinsen, die er dort erhält, auf die nächsten 20 Jahre hoch und freut sich daran mindestens genauso, wie der Amerikaner sich über das neue Heimkino freut und der Italiener über hemmungslosen Sex.
Das Sparen ist den Deutschen eine Lust, in der sie – wie anlässlich des Weltspartags 2010 ermittelt wurde – nur von den Chinesen überboten werden. Das beginnt früh, wenn Sechsjährige schon die Hälfte ihres spärlichen Taschengelds ins Sparschwein stopfen, das sie von Oma und Opa geschenkt bekommen haben. Es geht weiter mit dem ersten „Mäusekonto“, für das die Sparkasse mit außergewöhnlich hohen Zinsen lockt, und mündet in Bausparverträge, Lebensversicherungen und Riesterrenten. Ehe man es sich versieht, hat man mit Anfang 20 bereits sechs Vorsorgeverträge, wohnt aber noch bei Mutti. Immerhin spart man auf diese Weise die Miete.
Während sich andere Völker an schnödem Konsum erfreuen, kann sich der Deutsche offenbar an seinen Kontoständen erregen. Von 100 Euro legt er im Schnitt elf zurück. Das deutsche Sparvermögen hatte im Jahr 2010 den astronomischen Wert von 4,8 Billionen Euro erreicht, und trotzdem hielt jeder Bürger, wieder statistisch gesehen, jeden Monat weitere 68 Euro zurück. [3]
Was im Übrigen noch lange nicht genug ist: Wenn die Deutschen könnten, würden sie noch mehr sparen, sagen sie in verschiedenen Umfragen. Schließlich wisse man nie, was die Zukunft so bringe. Der Arbeitsplatz sei längst nicht mehr so sicher wie früher, die Rente sowieso nicht, die Inflation ziehe wieder an.
Und dann ist da noch diese typisch deutsche Sorge, dass auf einmal alles weg sein könnte. Die einen kennen dieses Gefühl noch ganz genau aus der Zeit der Währungsumstellungen und der Weltkriege. Die anderen haben einen Vorgeschmack darauf während der Krise der New Economy am Anfang des 21. Jahrhunderts oder während der Weltwirtschaftskrise 2009 bekommen.
Davor hatte es kurz so ausgesehen, als könne aus der Sparbuchrepublik ein Volk von Aktionären werden. Plötzlich hatten sich Hunderttausende von der sicheren Geldanlage ab- und (unter anderem) der T-Aktie zugewandt. Was waren das für Zeiten, als sich das sauer verdiente Geld auf einmal nicht mehr schneckengleich mit ein oder zwei Prozent im Jahr verzinste, sondern innerhalb weniger Monate verdoppelte oder verdreifachte! Die einst so vorsichtigen Sparer hatten sich verführen lassen, aus der Leidenschaft am Knausern war ein Rausch an der Rendite geworden. Er hielt, die meisten von Ihnen könnten es mit Zahlen belegen, nicht lange. Auf einmal war das Geld zwar nicht weg, aber es hatte leider ein anderer (alter Banker-Witz!).
Die Deutschen kehrten reumütig von den großen internationalen Banken zurück zu den Sparkassen. Heute liegt wieder ein Drittel ihres Vermögens auf Sparbüchern. Gerade einmal jeder fünfte Deutsche hat noch Geld in Aktien oder Investmentfonds, und nach den Erfahrungen aus der jüngsten Krise dürfte sich daran kaum etwas ändern.
Unvergessen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel an einem trüben Sonntag im Oktober 2008 vor die Fernsehkameras trat und
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