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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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ist im Vergleich zur freien Wirtschaft), haben weder die Parteien noch ihre Unterstützer Interesse daran, dass Zahl und Höhe ihrer Zuwendungen bekannt werden. Das kann so weit gehen, dass ein ehemaliger Bundeskanzler in einem der größten Spendenskandale der Republik nicht bereit war, die Namen der Geldgeber zu nennen.
    Da lobe ich mir den TV-Moderator, der angeblich jedes Jahr mehr als ein Fünftel seiner Einnahmen für wohltätige Zwecke ausgibt. Weil er darum kein großes Aufheben machen möchte, soll das auch an dieser Stelle nicht geschehen. Zumal angesichts des deutschen Wohl-Stands die Wohl-Tätigkeit eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Zumindest solange diese nicht ausgenutzt wird.
    Zum Beispiel von einer älteren, grauhaarigen Dame, die zitternd vor einer Filiale der Deutschen Bank stand. Ich konnte nicht einfach so an ihr vorbeigehen, und heute weiß ich, dass sie auch nicht vorhatte, mich vorbeigehen zu lassen.
    „Entschuldigen Sie, junger Mann?“, fragte sie.
    „Ja, bitte?“, fragte ich zurück und blieb stehen.
    „Es ist mir sehr unangenehm, und ich mache so etwas sonst nie. Aber könnten Sie mir vielleicht mit ein wenig Geld aushelfen?“
    Bevor ich etwas erwidern konnte, erzählte sie von ihrer Tochter, von der sie am Vorabend aus dem eigenen Haus geworfen worden sei. Nun laufe sie seit Stunden verzweifelt durch die Stadt und wisse nicht, was sie tun solle. Ihre Geldbörse habe sie auch daheim vergessen, so dass sie sich nicht einmal eine Fahrkarte …
    Da gab ich ihr 50 Euro. Die alte Dame schien ernsthaft gerührt, stammelte mehrfach „Danke!“ und winkte mir nach, bis ich um die nächste Ecke verschwunden war.
    Ich war sicher, etwas Gutes getan zu haben, und dachte, so etwas müsste man eigentlich viel öfter machen. Nicht nur mit Patenschaften in der Dritten Welt und Spenden für Menschen in Krisengebieten, sondern einfach mal so, bei uns!
    Es war wirklich ein schönes Gefühl, das genau zwei Tage anhielt. Dann sah ich die Dame vor einer anderen Filiale der Deutschen Bank stehen …

Warum einfach,
wenn es auch umständlich geht?

    Machen wir uns nichts vor: Die im vorigen Kapitel beschriebene Spendenbereitschaft der Deutschen korrespondiert mit der Möglichkeit, Ausgaben für wohltätige Zwecke vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen.
    Dies ist einer der – leider wenigen – guten Punkte eines Systems, über das mein Steuerberater sagt, dass er es selbst nie ganz verstehen wird. Aber Verständlichkeit scheint sowieso nicht Zweck der deutschen Steuergesetzgebung zu sein, die alles, was es zu dem Thema sonst in der Welt gibt, aussehen lässt wie einen Trabi neben einem Porsche Cayenne. Nun ist umstritten, ob tatsächlich die viel zitierten 80 Prozent der weltweiten Steuerliteratur in deutscher Sprache verfasst sind, oder ob es doch weniger ist. Fakt ist: An unsere Leistungen auf diesem Gebiet kommt kein anderes Land heran.
    Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Auf nichts trifft dieser typisch deutsche Spruch derart zu wie auf unsere Steuergesetze. Wobei man Finanzbehörden und -politikern nicht den Vorwurf machen darf, sie würden das Steuerrecht aus bösem Willen bis zur Unkenntlichkeit verunstalten. Nein, eben weil die Damen und Herren wirklich jedem Steuerzahler und dessen Bedürfnissen gerecht werden wollen, muss es immer neue Sonderregelungen und Ausnahmen geben.
    Dabei wäre es doch viel einfacher, wenn jeder pauschal einen festen Prozentsatz als Einkommenssteuer zahlen würde, zum Beispiel 25 Prozent. Dieser Vorschlag war wenige Wochen vor einer Bundestagswahl dick als Schlagzeile auf der Titelseite der Zeitung zu lesen, die Herr Müller-Hohenstein gern zum Ende der Mittagspause im Büro liest.
    „Gute Idee!“, rief ich von meinem Schreibtisch zu ihm herüber.
    „Was meinen Sie?“, fragte Herr Müller-Hohenstein zurück, als er schließlich gemerkt hatte, dass ich ihn meinte.
    „Das mit den 25 Prozent Einkommenssteuer!“
    „Warum finden Sie, dass das eine gute Idee ist?“, erwiderte Herr Müller-Hohenstein, den ich nun wirklich nicht im Verdacht hatte, ein Anhänger des deutschen Steuerrechts zu sein. Wenn die jährliche Steuererklärung anstand, die er, um Geld zu sparen, natürlich selbst machte, war er jedenfalls tagelang nicht ansprechbar.
    „Ich meine, dass wir uns dann die Steuererklärungen und den ganzen Quatsch sparen könnten.“ Ich stand auf und ging von meinem Schreibtisch zu dem von Herrn Müller-Hohenstein. „Und jeder wüsste schon am

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