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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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Faden durch die Evolution des männlichen Geschlechts zieht und eben nicht beim Verlegen der Küchenfliesen oder beim Zusammenbauen des Billy-Regals endet. „Das schaffe ich allein!“, rufen jedes Wochenende Hunderttausende deutsche Männer, wenn ihre Frauen nur wegen einer verstopften Waschmaschine oder wegen eines rauchenden Toasters den Handwerker-Notdienst rufen wollen. Wo doch jeder aus den unzähligen TV-Sendungen mit versteckter Kamera weiß, dass die die Waschmaschine oder den Toaster auf jeden Fall zu einer überteuerten Reparatur mitnehmen werden. Nix da, nicht mit uns! Das Geld kann man auf jeden Fall sparen! Manchmal funktioniert es tatsächlich, und die Wahrscheinlichkeit steigt, wenn der Baumarkt um die Ecke lange genug geöffnet hat.
    Unserem Nachbarn von oben drüber hat auch das nicht geholfen. Er gab sich gern als praktisch veranlagter Kerl, als Tausendsassa in allen Lebenslagen, und lächelte nur mitleidig über mich, der ich schon beim Wechseln der Feuermelderbatterien Schwierigkeiten habe.
    „Ich glaube, ich hatte noch nie einen Handwerker im Haus“, pflegte er zu sagen, wenn bei uns der Tischler anrückte, um das aufwändige Fischgrätparkett zu verlegen, oder der Glaser, um eine kaputte Fensterscheibe auszutauschen.
    An dieser guten deutschen Tradition wollte der Nachbar auch festhalten, als sich seine Frau im Badezimmer eine Dusche anstelle der Badewanne wünschte und, wenn man schon dabei sei, ein breiteres Waschbecken, andere Fliesen, eine neue Toilette und einen größeren Schrank für die Handtücher. Die Kostenvoranschläge, die sie dafür bei zwei Sanitärspezialisten aus der Umgebung eingeholt hatte, zerriss ihr Mann vor ihren und meinen Augen, um anschließend mit mir zum Baumarkt zu fahren und die benötigten Materialien zu holen.
    Wir brauchten allein anderthalb Stunden, um das Waschbecken und die neuen Fliesen mit einem Kastenwagen zu unserem Haus zu transportieren. Nach weiteren 30 Minuten hatten wir den ganzen Kram im dritten Stock. Mein Nachbar („Macht doch Spaß!“) fing schon mal an, die alten Fliesen rauszureißen, während ich noch die restlichen Materialien die Treppen hochschleppte. Danach war ich entlassen: „Den Rest schaffe ich allein“, meinte er mit einem lässigen Grinsen.
    Zu meinem großen Neid sah das Badezimmer am späten Sonntagabend wirklich aus wie neu. Stolz führte der Nachbar mich, seine und meine Frau von der Dusche („mit Massagestrahl!“) über das Waschbecken zum neuen Schrank. Die Frauen hatten nur Blicke für den großen Handwerker und seine zerschrammten Hände, und für einen Moment glaubte ich, dass es nicht nur einen Zusammenhang zwischen Schlagbohrern, sondern auch zwischen Badezimmerfliesen und sexueller Erregung gäbe.
    Wie um diese Vermutung zu untermauern, verabschiedete uns der Nachbar mit den Worten: „Dann wollen wir die neue Dusche doch gleich mal ausprobieren!“, und klatschte seiner Frau dabei so mit der flachen Hand auf den Po, dass der verbliebene Zement von den Finger staubte.
    Ich war neidisch, und meine Frau fragte mich vor dem Einschlafen bestimmt dreimal, warum ich solche Sachen nicht auch könnte, „wie jeder halbwegs normale deutsche Mann“. Weil ich nicht antwortete, schob sie noch nach: „Du rufst ja selbst beim Reifenwechsel den ADAC!“
    Wahrscheinlich hätte ich danach nie wieder mit meinem Nachbarn gesprochen, wenn es nicht gut zwei Wochen nach dem „Ich mach das schnell mal selbst“-Umbau von unserer Decke getropft hätte, genau dort, wo sich des Nachbarn neues Bad befand. Dem König der Handwerker war doch tatsächlich ein Fehler unterlaufen, der aus seinem Badezimmer eine Kneipp-Kur-Strecke gemacht hatte: Das Wasser lief nicht nur nicht ab, es stand fingerhoch über den neuen Fliesen.
    Er versprach, das Problem schnell zu lösen. Als das nicht gelang, rief er erst einen Freund, dann einen polnischstämmigen Handwerker zu Hilfe, den ihm dieser Freund unter der Hand vermittelt hatte. Schwarz natürlich.
    Auch das ist typisch deutsch: Wenn der „Selbst ist der Mann“-Mann nicht weiterkommt, sucht er erst einmal fremde Hilfe ohne Rechnung. Um schließlich doch einen der beiden Sanitärfachbetriebe zu beauftragen, die die Frau ursprünglich ausgesucht hatte, und dessen Mitarbeiter zwei volle Arbeitstage brauchten, um die, Zitat, „Arbeit eines unglaublichen Stümpers“ zu beseitigen.

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