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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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denn bis zur Wohnungstür gebracht werden könnte. Sie selbst dürfe leider nichts tragen, was schwerer als fünf Kilo sei, der Bandscheibenvorfall sei noch frisch, und ihr Mann sei unter der Woche oft auf Geschäftsreise.
    „Kein Problem“, sagte die Servicefrau des Spezialanbieters. „Das kostet nur 30 Euro extra.“
    Meine Frau erklärte sich also klaglos bereit, Matratze und Liefergebühr bis zur Tür zu bezahlen, und tatsächlich kam das gute große Stück wie vereinbart vierzehn Tage später.
    „Ich liefere Ihre Matratze!“, brüllte ein Typ durch die Gegensprechanlage.
    „Schön“, antwortete meine Frau. „Vierter Stock, bitte.“
    „Wieso vierter Stock?“
    „Weil ich dort wohne. Ich warte auf Sie.“
    „Nee, Sie kommen jetzt runter und quittieren den Empfang. Mehr mach ich nicht.“
    „Aber ich habe doch extra einen Lieferservice bis zur Tür bestellt!“
    „Jep, und hier unten, wo ich stehen tu, ist eine Tür. Mehr is nicht. Den Rest müssen Sie schon allein machen.“
    „Aber ich habe einen Bandscheibenvorfall und …“
    „… und ich habe noch mehr Kunden, die auf mich warten. Dann muss Ihnen halt ein Nachbar helfen.“
    Der Einzige, den meine Frau fand, war einer, der ein Jahr zuvor ebenfalls einen Bandscheibenvorfall gehabt hatte.
    Natürlich haben wir einen Beschwerdebrief geschrieben, und natürlich war sich der Spezialanbieter keiner Schuld bewusst. Wir haben die 30 Euro für „Lieferung bis zur Tür“ nicht bezahlt und die bisher eingegangen Mahnungen ignoriert. Sollten Sie einmal etwas bestellen, was bis zur Tür gebracht werden soll: Definieren Sie genau, welche Tür Sie meinen! Richtig schlaue Lieferanten könnten nämlich auch glauben, dass die Tür ihres Lkw reicht …
    Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen von der deutschen Servicephobie, dieser um sich greifenden Krankheit. Aber ich will es bei einer letzten kurzen Geschichte belassen, die nahezu jedem Menschen in diesem Land schon einmal passiert sein dürfte. Es geht um den Strom- oder Heizungsableser. Sie wissen schon, das sind jene Herren (eine Dame habe ich noch nie gesehen), die plötzlich per Postkarte ankündigen, dass sie anderthalb Wochen später, an einem Dienstag, zwischen 12.30 Uhr und 18 Uhr kommen wollen, um den Verbrauch zu kontrollieren.
    Nun ist der Zeitraum erstens reichlich unpräzise und liegt zweitens ungünstig, zumindest für Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen. Kommt hinzu, dass man das Pech haben kann, die Benachrichtigung während einer Urlaubs- oder Dienstreise zu erhalten. Dann wird es kritisch, denn die Ablesefirma bietet maximal einen kostenlosen Ausweichtermin an. Wenn der Kunde auch den nicht wahrnehmen kann – oder immer noch verreist ist –, muss er für Besuch Nummer drei bezahlen. Bei mir waren das zuletzt rund 35 Euro. Wenigstens kam der Ableser exakt zur vereinbarten Zeit, um 15.15 Uhr. Damit hat er die Latte für seinen nächsten, dann hoffentlich wieder kostenlosen Besuch, ziemlich hoch gelegt.

Geiz ist geil!?

    Geiz ist geil. Die Elektronikfachmarktkette (welch schönes deutsches Wort), die diesen berühmten Slogan erfunden hat, verwendet ihn seit einiger Zeit nicht mehr, weil die damit zum Ausdruck kommende Mentalität zunehmend in die Kritik geriet. Schließlich soll der Verbraucher beim Einkaufen nicht nur auf den Preis, sondern auch auf Qualität, Herstellungsbedingungen, ökologische Vertretbarkeit, Lieferwege, CO 2 -Ausstoß, Langlebigkeit und vieles mehr achten.
    So weit die Theorie.
    In der deutschen Praxis ist Geiz nach wie vor geil. Wir sind ein Volk der Schnäppchenjäger, das stolz damit korrespondierende Traditionen wie den Winter- und den Sommerschlussverkauf aufrechterhält. Was nicht nötig wäre, weil WSV und SSV offiziell längst abgeschafft sind und quasi das ganze Jahr über Schlussverkauf ist. Irgendwo ist immer irgendwas reduziert, herabgesetzt, so billig wie nie, und sollte mal gar nichts mehr gehen, bleibt noch der Teppichhändler, der zum 34. Mal sein Geschäft aufgibt und seine Ware deshalb mit „Monster-Rabatten“ rausschmeißt.
    Dazu und zu vielen anderen Preisnachlässen gibt es allerdings ein altes Kaufmanns-Bonmot, das ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte: „Rabatt, Rabatt, das lass’ dir sagen, wird vorher immer draufgeschlagen.“
    Am niedrigsten sind in Deutschland aber nicht die Teppichpreise, sondern die für Lebensmittel. Das geht so weit, dass beispielsweise französische Produkte bei uns weniger kosten als

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