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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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mit stolzgeschwellter Brust erwarten, die sich Kusshände zuwerfen und wie in einem riesigen Fußballstadion „Oh, wie ist das schön!“ singen.
    Die Realität sieht anders aus. Griesgrämig zieht der Bundesbürger durch sein Wohlstandsland und schimpft auf die Rundum-Sorglos-Republik. Jeder Dritte leidet an Depressionen oder an anderen psychischen Erkrankungen, deren Behandlung allein 2008 fast 29 Milliarden Euro kostete. 65 Prozent der Deutschen trauen der Politik die Lösung wichtiger Probleme laut einer Emnid-Umfrage im Dezember 2010 nicht mehr zu, gleich 90 Prozent wünschen sich eine neue Wirtschaftsordnung, so die Bertelsmann-Stiftung. Jeder Zweite ist mit seinem Gehalt nicht zufrieden, einem Gehalt, von dem in Afrika ganze Dörfer leben könnten. Nicht einmal das Wetter kann es uns recht machen. Im Winter ist es den Deutschen zu kalt, im Sommer zu warm. Mit einem Satz: Es geht uns offensichtlich zu gut, und deshalb ist die Stimmung schlecht.
    Das und der magere 35. Platz der Bundesrepublik auf der Weltrangliste des Glücks [6] haben inzwischen sogar den Deutschen Bundestag alarmiert. Unter der Leitung von Bundestagspräsident Norbert Lammert erforscht seit Anfang 2011 eine Kommission, was das Volk endlich zufriedener, ausgeglichener und fröhlicher machen könnte. Eine Art Bruttoinlandsglücks-Produkt soll so entstehen, als Weiterentwicklung des Bruttoinlandsprodukts, dessen Wachstum in der Vergangenheit als allein selig machend galt.
    Fest steht, dass die Höhe des Einkommens nicht automatisch etwas über die Zufriedenheit eines Menschen aussagt. Entscheidend ist, wie viel er im Vergleich zu seinen Kollegen, Nachbarn, Freunden hat (was, wie wir wissen, schwierig genug herauszubekommen ist). Wenn man die Leute fragt, ob sie lieber 90000 Euro verdienen wollen, während alle anderen 89000 Euro bekommen, oder 120000 Euro, wenn die anderen 125000 Euro erhalten, entscheiden sich die meisten für Variante eins. Ich wette, dass selbst Herr Müller-Hohenstein auf einen Teil seines Salärs verzichten würde, wenn er dann sicher sein könnte, der Bestverdienende in der Firma zu sein. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit einem zufriedenen, ja vielleicht erstmals in seinem Leben lachenden Herrn Müller-Hohenstein in der Glücks-Weltrangliste zumindest an Malta, Malaysia und Antigua & Barbuda vorbeiziehen könnten.

Wenigstens die Familienministerin
sorgt für Nachwuchs

    Der 18. Januar 2011 war ein besonderer Tag in der Geschichte der Bundesrepublik, und daran hatte unter anderem ein rotes Shirt Schuld. Das trug Familienministerin Kristina Schröder, als sie zur Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt erschien, und es saß so eng, dass keiner der anwesenden Fotografen den Babybauch übersehen konnte. Frau Schröder nahm ihren Job offensichtlich ernst. Sie war schwanger, im vierten Monat. In Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien wäre das eine mittelgroße Meldung gewesen, in Deutschland wurde es zur Sensation. Einerseits, weil noch nie eine Bundesministerin während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen hat. Andererseits, weil sich die Nation gut zehn Monate zuvor noch darüber echauffiert hatte, dass die Kanzlerin eine damals unverheiratete und kinderlose junge Frau zur Familienministerin ernannte.
    Solche Bilder konnte das Land gut gebrauchen: Schließlich sind die Deutschen wirklich dabei, sich abzuschaffen, für diese Erkenntnis hätte es keines Thilo Sarrazins bedurft. In den nächsten Jahrzehnten wird ihre Zahl deutlich unter 80 Millionen sinken, und mittelfristig lässt sich daran auch nichts mehr ändern. Der einfache Grund: Die Deutschen bekommen zu wenige Kinder.
    Nun waren wir selbst in der Europäischen Union nie dafür bekannt, in Bezug auf die Häufigkeit des Beischlafs zu den Spitzenreitern zu gehören – wobei ich mir nicht sicher bin, ob es politisch korrekt ist, das Wort „Spitzenreiter“ in diesem Zusammenhang zu verwenden. Fakt ist, dass wir mit 117 Mal Sex pro Jahr deutlich hinter den Griechen (164) und den Brasilianern (145) liegen [7] , um nur die aktivsten Nationen zu nennen (vielleicht sind wir bei den entsprechenden Umfragen aber auch einfach nur zu ehrlich). Das wäre zu verkraften, wenn wenigstens die Ergebnisse mit jenen anderer Länder mithalten könnten. Tun sie aber nicht: Während in Frankreich auf jede Frau im Schnitt 2,02 Kinder kommen, waren es in Deutschland laut Statistischem Bundesamt zuletzt nicht einmal 1,4.
    „Was soll man von einem Land mit so einer Regierung

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