Reise im Mondlicht
gleiche tat wie in Budapest,bloß in französischer Variante,sei es Geschäft,Firma oder Zeitung.Als Erzsi nach Paris
kam, war sie gerade Sekretärin in einem großen Filmunternehmen. Sie war die häßliche Frau des Hauses, der Fels, an dem die
zum Metier gehörende erotische Atmosphäre abprallt, die Person, auf deren Besonnenheit und Unvoreingenommenheit immer Verlaß
ist, die viel mehr arbeitet als die anderen und viel weniger verdient.Inzwischen war sie ergraut, und mit ihrem kurzen Haar
hatte sie ein edles Kurfürstengesicht, über einem mädchenhaften, zerbrechlichen Körper. Alle drehten sich nach ihr um, worauf
sie sehr stolz war.
»Wovon wirst du leben?« fragte sie,nachdem Erzsi die Geschichte ihrer Ehe kurz und auf Budapester Art nicht unironisch geschildert
hatte. »Wovon wirst du leben? Hast du immer noch so viel Geld?«
|129| »Ja, weißt du, das mit dem Geld ist so eine Sache. Bei unserer Scheidung hat Zoltán meine Mitgift und mein väterliches Erbe
(das übrigens viel geringer ist, als die Leute meinen) ausgezahlt, und davon habe ich einen großen Teil in Mihálys Firma gesteckt
und einen kleineren Teil für alle Eventualitäten auf ein Bankkonto gelegt. Zu leben hätte ich also, aber es ist sehr schwierig,
an das Geld heranzukommen. Das auf der Bank kann man auf legalem Weg nicht herausbringen. Ich bin also auf die Summen angewiesen,
die mir mein Ex-Schwiegervater zukommen läßt. Und auch das ist nicht einfach. Wenn es ums Geldausgeben geht, wird er bockig.
Und wir haben auch keine Übereinkunft.«
»Hm. Vor allem mußt du dein Geld aus ihrer Firma herausholen.«
»Ja, aber dafür muß ich mich von Mihály scheiden lassen.«
»Natürlich mußt du dich von Mihály scheiden lassen.«
»So natürlich ist das nicht.«
»Aber hör mal, nach alldem?«
»Schon. Aber Mihály ist nicht wie andere Menschen. Deshalb habe ich ihn geheiratet.«
»Ist dir auch wohl bekommen. Ich mag Menschen nicht, die nicht so sind wie andere Menschen. Schon die anderen Menschen sind
widerlich genug. Und erst noch die, die nicht so sind.«
»Schon gut, Sári, lassen wir das.Überhaupt will ich Mihály nicht den Gefallen tun und mich so mir nichts, dir nichts von ihm
scheiden lassen.«
»Aber warum zum Kuckuck gehst du nicht nach Budapest zurück, wenn doch dein Geld da ist?«
»Ich will nicht nach Hause, solange diese Dinge nicht geklärt sind. Was sage ich den Leuten? Denk dir doch, was meine Cousine
Juliska herumtratschen würde.«
»Die tratscht auch so, da kannst du Gift darauf nehmen.«
»Aber wenigstens höre ich es hier nicht. Und dann … nein, ich kann auch wegen Zoltán nicht nach Hause.«
»Wegen deines ersten Mannes?«
»Ja. Er würde mich schon am Bahnhof mit einem Blumenstrauß erwarten.«
|130| »Wirklich? Ist er dir denn nicht böse, daß du ihn so schnöd hast sitzenlassen?«
»Keine Spur. Er gibt mir völlig recht und wartet demütig darauf, daß ich vielleicht doch einmal zu ihm zurückgehe. Und in
seinem Kummer hat er bestimmt mit allen Tippfräuleins gebrochen und lebt keusch. Wenn ich nach Hause fahre, habe ich ihn gleich
am Hals. Und das ist nicht auszuhalten. Ich ertrage alles, außer Güte und Nachsicht. Besonders wenn sie von Zoltán kommen.«
»Weißt du was, da bin ich mit dir einig. Ich hasse es, wenn die Männer gütig und nachsichtig sind.«
Erzsi nahm am selben Ort ein Zimmer, wo Sári wohnte, in jenem geschmacks- und geruchsneutralen Hotel hinter dem Jardin des
Plantes, von wo aus man die große Libanonzeder sieht, die mit fremdartiger, östlicher Würde die gepolsterten Hände ihrer Äste
in den aufgeregten Pariser Frühling streckt. Die Zeder tat Erzsi nicht gut. Ihre Fremdheit verwies auf ein anderes, großartiges
Leben, auf das sie vergeblich wartete.
Zuerst hatte sie ein eigenes Zimmer, später zogen sie zusammen, weil das billiger war. Und abends picknickten sie dort verbotenerweise.
Es stellte sich heraus, daß Sári im Zubereiten des Abendessens genauso geschickt war wie in allen anderen Dingen. Zu Mittag
mußte Erzsi allein essen, weil Sári irgendwo in der Stadt rasch ein Sandwich verschlang, wonach sie gleich wieder ins Büro
ging. Erzsi probierte anfänglich verschiedene bessere Restaurants aus, bis sie merkte, daß die Fremden dort gerupft werden,
und so begann sie kleine Crèmeries zu frequentieren, »wo man das Gleiche bekommt, aber viel billiger«. Erst trank sie nach
dem Essen immer einen Kaffee, den guten
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