Reise in die arabische Haut
die Ofeninnenwand schmiert, verdonnert Jadda zum Weiterbacken.
Passioniert kniet sich meine Schwiegermutter auf eine zusammengeknüllte Wolldecke. Sie steckt ein mit Stoff umwickeltes Holzstöckchen in das kleine Loch der hohen Kanne und schüttelt die Milch von oben nach unten.
Ich erkenne, dass aus der frischen Milch inzwischen Buttermilch wurde und diese nun zur Butter geschüttelt wird. Mir wird die Ehre zuteil, diese hochkomplexe Aufgabe zu übernehmen.
Alle Achtung, dass Walda mir diese Aufgabe zutraut. Gern nehme ich die gereichte Kalebasse an mich.
Nach acht Minuten mühevoller Schufterei lahmen die Arme. Meine Knie schmerzen vom harten Beton. Ich verziehe keine Miene und wälze den schweren Krug manisch auf und ab.
Nun weiß ich, warum wir in Deutschland lieber im Supermarktregal nach der guten Butter greifen anstatt Milch zu schleudern.
Als mir das kleine Holzstück herausspringt, verliere ich kostbare dicke Milch. Während Shirin mosert, denke ich bestürzt an eine künftige Sehnenscheidenentzündung.
Nach anderthalb Stunden ist das Werk vollbracht. Shirin entfernt die obige Plastikverdeckung und fischt eine kleine Ladung Butter aus der Milch heraus.
»Brima Olive, Briiiima.« Anerkennend haut mir Walda auf die Schulter. Hat niemand Erbarmen mit mir? Mittlerweile schmerzt mein Körper vom Hals bis zu den Füßen.
Die Butter liegt verlockend auf einer kleinen Untertasse. Da ich Margarine seit Ewigkeiten vermisse, freue ich mich auf ein geschmiertes Fladenbrot. Die Butter schmeckt nicht wie die deutsche Haushaltsbutter. Im Haremspalast schmeckt die Butter wie reine Butter ohne Zusätze. Handgefertigt von Olivia. Handgerollt von einer deutschen Möchtegern-Tunesierin.
Wir vertilgen die Zebda innerhalb einer knappen Viertelstunde. Sogar Ali Baba, der unverhofft kurz auftaucht, ist von meiner Butterei begeistert.
Ich stelle mich auf das Familienpodest: »Naam, Naam, die ausländische Schwiegertochter ist sich für keine Arbeit zu schade.«
Kindergarten
Alishas Schwangerschaft nähert sich dem achten Monat. Aus Erschöpfung lässt sie Yasser und Houda in unserer Obhut. Jadda und ich beaufsichtigen die Kinder, während die anderen die Knete verdienen, um die deutsche Schwiegertochter mit ihren Ansprüchen durchzufüttern.
Häufig bitte ich darum, mir Joghurt und Schokolade vom Kiosk mitzubringen. Walda überhört dezent meine Gesuche, daher wende ich mich an Ali Baba, dem meine Wünsche Befehl sind. Der weiblichen Verwandtschaft blutet das Herz, wenn sie meinen Vorrat an delikaten Aromajoghurt und Süßigkeiten sehen. Einträchtig verteile ich mein geschenktes Hab und Gut. Leider bleibt für mich kaum etwas übrig.
Außer Jadda kleben nun noch zwei Kleinkinder an meiner Backe. Manchmal sind es vier Blagen, die mir auf meinen Nerven herumtrampeln. An Kindererziehung hapert es in unserem Haus. Die Knirpse werden für ihre Frechheiten belohnt. Die ungezogenen Gören werden nur mit einem leichten Schulterzucken bedacht.
Mit meinen fünfzig Jahren bin ich viel zu alt, um tunesische Stammhalter zu erziehen. Sie verstehen meine Sprache nicht und tanzen mir auf dem Kopf herum. Beim Fangen spielen komme ich schnell aus der Puste und verliere die Lust am Spiel.
Nach fünf strapaziösen Tagen holt Alisha ihre Kinder wieder ab. Im Gegensatz zu mir sieht sie relativ erholt aus. Ich brauche dringend Urlaub. Khalid und ich haben die Kinderplanung bewusst abgesegnet. Kleinkinder rauben einem den allerletzten Nerv.
Vollidiot
Um der Alltäglichkeit zu entfliehen, helfe ich Jadda bei der Fußpflege und schmökere anschließend im Vollidiot. Hoffentlich kommen bald Sommerkleider auf dem Markt, denn ich schwitze wie Eis auf der heißen Herdplatte. Hier herrschen relativ hohe Temperaturen. Die Tunesier laufen noch dick angezogen durch den Frühling. Für mich Deutsche ist schon der Hochsommer angebrochen.
Weil mich heute niemand beachtet, krempele ich meine Ärmel um und lüfte meinen Rock. Konzentriert lese ich in meinem Buch und bemerke zu spät, dass sich Jadda heranpirscht. Sie hockt sich auf meinen Fußschemel und mustert mich aufmerksam beim Durchwälzen des Romans.
Geräuschvoll zieht ihr tunesisches Geschwafel an meinen Ohren vorüber. Genervt klappe ich mein Buch zu. Ohne mich zu fragen, greift Jadda zu Jauds Roman und guckt sich die nackt behaarten Männerbeine in verschiedenen Strümpfen an.
Sie guckt von links, von rechts, von oben, von unten und dreht das Buch noch einmal um.
»Lä,
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