Reise in die arabische Haut
Jadda, mehr gibt es nicht zu sehen.«
Sie zeigt auf die behaarten Beine und raunt: »El-almani oh oh oh.«
Also Tommy, falls das deine Beine auf dem Buchcover sind, dann haben sie meine tunesische Jadda tief beeindruckt.
Wochenbettbesuch
Seit heute Morgen herrscht bei uns fröhliche Aufruhr.
Alisha hat letzte Nacht ein Mädchen entbunden. Aufgrund des freudigen Ereignisses fahren Ali Baba, Walda, Jadda, Jamila und ich in die Klinik nach Monastir. Shirin hütet den Kinderladen. Babas Werkstatt bleibt zu, weil Sofienne verschnupft im Bett liegt.
Hier spielt es per se keine Rolle, ob Babas Laden läuft respektive offen oder geschlossen ist. Die fehlenden Einnahmen holt er an anderen Tagen durch längere Öffnungszeiten locker wieder herein. Das gilt für alle tunesischen Geschäftsmänner, die nach Gutdünken schalten und walten.
Seit sechs Wochen bin ich diese Strecke bisher siebenmal in diesem nordafrikanischen Land gefahren. Ich genieße den Ausflug und sehe mich an den Häusern, Bäumen und Menschen satt. Abermals passieren wir das Fischgeschäft, wo der Verkäufer mit seinem Riesentintenfisch wirbt. Die Tentakel des Fisches klatschen auf seine Brust. Neben ihm hängt ein Werbebanner: To verde. Eigentlich logisch, denn einen Unterwasserzoo preist er sicherlich nicht an.
Jadda und Walda flöten auf der Autofahrt islamische Dankpsalmen. Allah kommt x-mal in ihren Texten vor. Jamila tippt sich an die Stirn und schüttelt den Kopf. Ihre Art zu sagen, dass die flötenden Ahnen sich reichlich daneben benehmen.
Im tunesischen Krankenhaus ist die Zeit haften geblieben. Es gibt Vier- sowie Fünfbettzimmer. Die Einrichtung ist veraltet.
Alisha sitzt geschwächt in einem Ohrensessel am Fenster. Neben ihr röchelt eine uralte Frau in den letzten Zügen. Ich halte die Luft an, wenn die Puste der Greisin im Schlaf aussetzt. Ihr gegenüber unterhalten sich dröhnend zwei Damen mittleren Alters, die ihr Kopftuch tiefer ins Gesicht ziehen, als sie Ali Baba erblicken.
Es ist keine typische Wöchnerinnenstation. Außer Geburten werden auch verschiedene Krankheiten behandelt.
Ich fühle mich in meinem schwarzen Ausgehkleid verschwitzt und unbehaglich. Ich gehe mit Alisha eine Koalition ein, denn auch sie fristet heute im dicken Samtkleid und Kopftuch ihr Dasein.
Der Raum füllt sich nach und nach mit Publikum. Gegenwärtig drängeln sich zwanzig Besucherinnen im Patientenzimmer. Es werden minütlich mehr.
»Bébé?«, frage ich.
Walda weist mit dem Finger zur Tür. Unser Aufbruchzeichen. Wir raunen Alisha ein Beslama zu und wälzen uns durch die Menschenschar.
»Wo ist das Baby?«, frage ich traurig, als uns eine nette Stationsschwester in den linken Flügel schickt. Vor einem Fenster tänzeln verschleierte Araberinnen und johlen begeistert: »Bébé, Bébé.«
Wir gesellen uns bereitwillig zu der Meute. Gleich darauf brechen Walda und Jadda in Euphorie aus. Ali winkt ab und setzt sich auf seinen Klapphocker, den er die ganze Zeit mit sich herumschleppt. Kein Wunder, dass er sich nicht für den Säugling interessiert. Es ist ja nur ein Mädchen. Als sich einige Omas und Tanten verziehen, erhasche ich einen Blick durchs Fenster. Fünf akkurat gekleidete Krankenschwestern präsentieren fünf entzückende Babys der Öffentlichkeit. Welcher Säugling gehört uns?
Ich stupse Walda in die Taille und sehe sie fragend an. Sie zeigt zuerst auf das eine, dann auf das dritte und zum Schluss auf das vierte Neugeborene. Walda erkennt ihre eigene Enkeltochter nicht. Nicht weiter schlimm, denn sie sind alle herzallerliebst, diese kleinen Menschlein. Jamila fragt eine Schwester, die auf dem Flur einen Teewagen vorbei schiebt.
»Second«, flüstert sie mir ins Ohr.
Die neuen Erdenbürger, außer unserer süßen Maus, werden in Bettchen gelegt. Die zweite Krankenschwester bleibt zurück und stellt das Baby von allen Seiten vor. Walda und Jadda halten zwei Finger in die Luft und schnalzen mit der Zunge.
Mein Trommelfell platzt bei dieser Lautstärke. Zur Vorsorge werden die Babys hinter Glas gehalten, um einen frühen Hörschaden zu vermeiden.
Walda und Jadda eisen sich nicht vom Fenster los. Neugierig drücken sie ihre Nasen an der Scheibe platt.
Ob sie sich an die Geburten ihrer Kinder erinnern, die vor vielen Jahren überwiegend zu Hause stattfanden?
Nicht nur in Tunesien, auch bei uns fanden die Geburten im eigenen Wohnzimmer statt. Alternativ geht der Trend in Deutschland wieder dahin zurück.
Vor mehr als fünfzig
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