Reise in die arabische Haut
Deutsche unkultiviert knuspert, ist es angebracht, dass wenigstens eine Tunesierin gesittet speist. Mahlzeit.
Unsere Viva citron schlürfen wir aus der Blechbüchse. Jadda kriegt es nicht gebacken, prägnant zu süffeln. Nachdem sie ihren Trinkhalm zerbissen hat, versucht sie aus der Dose zu trinken. Dabei verschüttet sie den halben Limonadeninhalt auf ihre Brust. Ali bestellt für sie eine Flasche Fourat Naturelle, damit sie ihren Durst einfacher löschen kann und keine weiteren Flecke verursacht. Gesättigt starten wir zur nächsten Exkursion.
»Ribat?«, fragt Ali Baba.
»Naam«, rufen wir regeneriert aus.
Die Wehranlage von Monastir steht auf unserem Programm.
Jadda, die mit ihrer Krücke nur mühsam Treppen steigen kann, verfrachten wir auf eine Aussichtsplattform. Wir geloben, sie später von dort abzuholen. Innerhalb von zwei Stunden haben wir das Ribat aus dem 8. Jahrhundert durchwandert. Walda reibt sich den Schweiß von der Stirn, auch ich schwitze aus jeder Pore. Jadda hat lange genug allein in ihrer Bastei gesessen. Es wird Zeit, sie wieder einzusammeln. Der Aussichtspunkt glänzt verwaist im hellen Tageslicht.
Unruhig rennen wir quer durcheinander, klappern sämtliche Treppen, Mauernischen, Gänge und Türmchen zum zweiten Mal ab. Mir rinnt der Schweiß unter dem Kleid heraus und tropft auf den sonnendurchglühten Boden. Nein, ich verliere kein Fruchtwasser und keinen Harn. Es ist wahrhaftig angstvoller Schweiß.
Unsere Jadda bleibt unauffindbar.
Fassungslos nähern wir uns dem Ausgang, denn hier im Ribat befindet sie sich nicht. Ich werfe mir vor, dass wir Jadda ihrem Schicksal überlassen haben, anstatt uns um sie zu kümmern. Jadda, entführt und abgeschleppt. Die Tränen schießen mir wie Kanonenkugeln aus den feuchten Augen.
Am schattigen Ausgang des Ribats sitzt ein Verwalter, der die tunesische Bild liest. Bilde dir eine tunesische Meinung oder bilde dir lieber keine.
»Haben Sie eine ältere Dame mit Krücke gesehen?«, fragt Ali Baba.
»Naam, naam.« Der Aufseher knüllt die Zeitung zusammen und weist mit der Hand zur linken Seite.
Wir irren auf dem großen Platz umher. Araber und europäische Touristen pflastern den Weg. Von Jadda keine Spur.
Ali Baba lehnt sich träge an eine gewaltige Palme und verkündet fahrig seinen fiktiven Plan.
Er will die Bourguiba-Moschee aufsuchen, um Allah zu bitten, dass er uns unsere Jadda zurückgibt.
»Mein Gott, wenn sie entführt wurde. Das verzeihe ich mir nie«, schreie ich auf.
Da ich als deutsche Touristin nicht in die Moschee eingelassen werde, warten wir Frauen im Innenhof. Nachdem eine Möwe zehnmal um die Palme geflogen ist, kommt Ali Baba geläutert aus der Moschee.
Einen Möwenflug später steht Jadda, erfrischt wie die Jungfrau Maria, vor unseren Augen.
Allah macht das Unmögliche möglich.
»Jadda«, jubele ich und herze ihr Gesicht mit speicheligen Küssen.
Walda schimpft, und fragt, wo sie sich herumgetrieben hat.
»Moschee«, antwortet Jadda, als wäre es das Normalste auf der Welt, sich vom Abstellpunkt zu entfernen, um in das islamische Gebetshaus zu marschieren.
»Allahu akbar«, nuschelt Ali und geht uns voraus.
Vorsichtshalber halte ich Jaddas Hand und lasse sie nicht mehr los. Der konfuse Ali vergisst vor lauter Schreck, wo wir unser Auto geparkt haben. Auf der Suche nach dem Parkplatz kommen wir an einem Friedhof vorbei. Ein Gräberfeld mit hochgebauten, weißen Grabstätten. Von Jamila erfahre ich, dass die Leichen unter der Erde begraben liegen. Der weiße Kasten über dem Grabmal dient dafür, dass man nicht auf den Mentalkörpern herumtrampelt.
Ein aufreibender, lehrreicher Tag neigt sich dem Ende zu. Abends trinke ich eine kleine Flasche Florida leer und strecke alle Viere von mir.
Der böse Blick
Drei Tage nach der Niederkunft kommt Alisha mit ihrer Tochter Jenna aus dem Krankenhaus. Da Alishas Schwiegereltern die beiden anderen Kleinkinder aufgenommen haben, kümmern wir uns intensiv um die Wöchnerin und das Baby.
Eines Mittags bringen Walda und ich Couscous mit Lammfleisch zu der geschwächten Mutter. Walda will nach einer halben Stunde ihre Tochter verlassen, um im Shop die Zeit abzusitzen. Ich soll mich entscheiden, ob ich mit ins Geschäft gehe oder Alisha weiterhin Gesellschaft leiste. Mein Entschluss fällt rasch. Es kommt mir tausendmal besser gelegen, bei meiner Schwägerin zu putzen, anstatt mich im öden Shop mit Datteln voll stopfen zu lassen.
Alishas Wachhund stört unsere
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