Reise in die arabische Haut
aufgewühlt kann ich meine Nerven nur beruhigen, indem ich Khalid eine E-Mail schreibe.
»Do you come with me, I want to mail Khalid?«, frage ich Jamila, die ausnahmsweise sofort bereit ist, mir ins Publinet zu folgen.
Im Internetsalon ist die Hölle los. Auf der Empore halten sich mindestens zwanzig Leute auf. Dieser Krach schüchtert mich ein. In meinem Hirn braut sich ein Szenarium zusammen, in dem das Zwischengeschoss über unseren Köpfen einstürzt und uns begräbt. Der Vermittler bietet uns seinen Zweit-Computer auf der unteren Etage an, weil alle anderen Geräte besetzt sind.
Ich schildere den Hauptstadtabstecher in prallen Farben. Jamila grinst, als sie das Kussmund-Icon für Khalid sieht, das ich zum Schluss einfüge.
Nach dem Mailbericht werfe ich einen schnellen Blick auf den Amazon-Rang meines Buches. Er ist gefallen, steht jetzt bei 949.312. Mieses Ranking. Kaum ist man nicht mehr im hessischen Land präsent, rutscht man auf die unterste Stufe. Bald habe ich die Million erreicht. Die fehlende Werbung und die schlechte Rezension spielen eine beachtliche Rolle. Ich bleibe auf meinem Buch sitzen. Niemand erfährt, dass der Bäcker der Mörder ist, der sein Opfer wie Mehl zermahlt und daraus preiswerte, würzige Muffins bäckt. Das Buch lag so gut im Rennen. Vor ein paar Wochen sah ich mich fast auf der Spiegel-Bestsellerliste und nun stehe ich auf dem ersten Platz der Niederlagentabelle. Mist.
Ich logge mich in das Dichtkunstcafé ein, um etwas Werbung zu schalten. Dort trifft mich das Unheil mitten ins Herz.
Eine Person hat sämtliche Foren nach meinen Daten durchsucht und meine Schreibkunst schlecht geredet. Sie hat persönliche Sachen ausgegraben. Sie nimmt mein Alter von fünfundfünfzig Jahren als Anlass, dass man in diesem Alter kein erfolgreiches Buch mehr schreiben kann.
Aber gnädige Frau, an Ihnen ist kein guter Detektiv verlorengegangen. Ich bin erst fünfzig.
Bedient, ob dieser Dreistigkeit gebe ich den Dichtkunst-Autoren folgenden Tipp: »Don’t feed the troll. Füttert nicht den Troll, ansonsten fühlt er sich bei uns noch wohl.«
Wenn ich wieder in Deutschland bin, nehme ich mir einen Anwalt. Genau wie Walda. Bei jeder Meinungsverschiedenheit rennt sie zum Rechtsanwalt. Passt ihr irgendetwas nicht, dreht sie sich um und schreit: »Schakwa, Polici, Mohämi, Advokat.«
Sie kennt jeden Anwalt in den umliegenden Ortschaften. Ich überlege, ob ich mit ihr zusammen zum Anwalt gehen soll. Ich verwerfe den Gedanken, denn ein tunesischer Jurist wird in meinem speziellen Fall kein befriedigendes Resultat erzielen.
Verärgert hake ich mich bei Jamila ein und brumme: »Scheißinternet.«
Schon seit Tagen schlage ich mich mit Rachegedanken herum. Ich werde das Geschäft mit meinem Buch wieder ankurbeln, notfalls mit Promotion und Lesungen. Das fehlt mir noch, dass ich mich von einer neidischen Debütantin von der Bühne schubsen lasse. In meinem Kopf grübele ich unaufhörlich über ein Comeback nach.
Um mich abzulenken, schlägt Jamila eine Fahrt in den Urlaubsort Mahdia vor.
Frauentag in Mahdia
Ich kenne das kleine Fischerstädtchen Mahdia aus dem Reiseprospekt und gehe von daher bereitwillig auf Jamilas Vorschlag ein.
»Okay. We can go.«
Ali Baba leiht uns seinen blauen Mercedes. Nicht, ohne vorher über seinen Stern zu streicheln. Shirin steuert den Wagen durch den chaotischen Verkehr, während Jamila die Straßenkarte liest. Navigationsgeräte sind in meiner weiblichen Familie völlig unbeliebt. Vielleicht sähe es anders aus, wenn ein Charmeur anstatt einer Frau die Route ansagen würde. Ich bin über unsere tunesische Frauenpower angetan.
Das mächtige Stadttor Skifa-el-Kahla, ein Überbleibsel von Mahdias berühmter Verteidigungsanlage lädt uns ein, hindurch zu schlüpfen, um die Stadt zu erkunden.
In der überschaubaren Medina geben sich Seidenweber und Kunsthandwerker die Hand. Interessiert beobachte ich einen Kalligraphie-Schreiber, der arabische Schriftzeichen auf eine Leinwand malt.
Jadda hat ihren Spazierstock daheim gelassen. Unnötiger Ballast. Er passt sowieso nicht zu der pastellgelben Burka, die sie mit den Händen zusammenhält. Mit einem Auge schaut sie aus einer kleinen Gesichtsöffnung, alles andere ist verdeckt. Jadda übertreibt maßlos, aber Walda steht ihr in nichts nach. Kein Dogma für unseren Frauentag. Erfreulicherweise habe ich zwei reinweg normale Schwägerinnen, die nur mit einem Kopftuch, like me, bekleidet sind.
Es ist wahrlich kein
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