Reise in die arabische Haut
Sonnenschirm. Distinguiert umrieseln uns arabische Klänge. Es kommt einem Wunder gleich, dass Ali Baba mich in ein Café mitnimmt. Aber verschleiert wie ich bin, könnte ich glatt als seine Frau durchgehen, was mir nicht unbedingt behagt.
»Tay bahi, bent?«, fragt er gesittet.
Ich freue mich, dass er mich als seine Tochter ansieht, obwohl er nur wenige Jährchen älter ist als ich.
Beim zweiten Tee bestellt er sich eine Shisha mit Apfel-Vanille-Verschnitt. Der Geruch ähnelt einem aromatisierten Pfeifentabak. Baba raucht friedlich vor sich hin. Leider geht seine Tochterliebe nicht so weit, mir auch einen Zug aus der Shisha anzubieten. Darum begnüge ich mich mit dem vorbeiziehenden, anheimelnden Tabakrauch und träume von Khalid. Baut er in dieser Stunde Patienten nach einem Suizid auf oder legt er Alkoholiker trocken, während ich hier das pralle Leben auskoste? Ich verziehe meine Lippen zu einem Kussmund und schicke telepathisch einen Schmatzer nach Hessen. Sehr zur Abneigung von Ali Baba.
»Khalid«, stottere ich verlegen und hoffe, er versteht, was ich damit sagen will.
Ungeduldig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her. Mir ist so langweilig zumute.
»Toilet?«, fragt Baba.
»Naam.«
Ich muss zwar nicht dringend, aber unter Umständen bringt das WC ein klein wenig Abwechslung in meinen Ausflugsalltag. Ich benutze das klopapierfreie Klosett, spiele mit dem Schlauch und versuche meinen Podex mit Wasser zu reinigen. Mein Hintern trieft vor Nässe. Mir fehlt ein Stückchen Stoff, um mich trocken zu reiben. Den Komfort von Tempotaschentüchern entsagte ich mir auf diesem Kontinent schon längst. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als auf diesem Lokus auszuharren, bis ich luftgetrocknet bin.
Jemand bumst gegen die weiße Holztür und wirft mit arabischen Brocken um sich. Eingeschüchtert ziehe ich meinen Slip hoch und öffne die Tür. Vor mir hoppelt eine europäisch angezogene Frau von einem Fuß auf den anderen. Vermutlich hat sie ein dringendes Bedürfnis, das befriedigt werden muss.
Aus dem antiquarischen Zinkhahn rieseln Wassertropfen. Zum Händewaschen zu wenig. Ich lasse kühles Wasser über meinen Puls sickern und suche Ali Baba, der an der Ausgangstür steht. Mein Kleid klebt feucht an meinem Hintern. Peinlich geht die Welt zugrunde.
Wir brechen auf, um in der Medina zu flanieren. An der großen Moschee beginnt ein Souk mit religiösen Büchern, Gebetsteppichen, Tüchern und Schmuck. Weiter entfernt werden auch irreligiöse Sachen wie Taschen, Kleider, Unterwäsche, Haushaltswaren und Lebensmittel veräußert. Alle paar Meter stolpere ich über Kisten und Käfige mit Hühnern.
»Die armen Hinkel«, wispere ich ehrfurchtsvoll. Ich erinnere mich an meine befreite, schwarze Henne, die vielleicht die Seele eines Verwandten beherbergt. Ich sage nur: jämmerliches Karma.
Im Souk el-Attarine findet Ali Baba einen opulent sortierten Parfüm-Shop. Er zieht mich in den Laden und befiehlt mir, ein Odeur auszusuchen. Im Kreis der zahlreichen wohlriechenden Düfte fällt es schwer, mich für ein Parfüm zu entscheiden. Mittlerweile duften sieben Flakons auf der Theke und je mehr ich schnuppere, desto prekärer ist die Auswahl.
Ali Baba diskutiert mit dem Verkäufer. Kurzerhand stellt der Händler ein amouröses Gemisch aus Vanille, Moschus und Patchouli her. Diese Mixtur ist genau auf mich zugeschnitten.
Ali Baba kauft für Walda und für Jadda Kölnisch Wasser, das so intensiv riecht, als wäre es soeben von Köln eingeflogen. Nichts geht über 4711.
Nach dem Mittagsimbiss, der aus Chapatty besteht, kurven wir mit dem Oldtimer zum Belvedere-Park. Wir schleppen uns fünfhundert Meter durch die Grünanlage. Von den heißen Temperaturen abgekämpft, sind wir nicht mehr bereit, weiterzulaufen, obwohl die ausufernden Laubbäume reichlich Schatten spenden. Wir rasten auf einer Plastikbank, die allgemein nicht zu den edlen Hölzern passt.
»Beni Hassen?«, fragt Ali.
»Naam Baba.«
Gegen unseren Aufbruch habe ich nichts einzuwenden.
Auf der Heimfahrt durchkreuzen wir fünf Polizeikontrollen. Viermal werden wir überprüft. Die Shorta setzen unsere Verwandtschaft voraus, weil ich als europäische Frau auch Ben Amor heiße und verschleiert bin. Wir dürfen ohne Bestechungsgelder weiterfahren.
Die beiden älteren Damen unseres Hauses freuen sich über das deutsche Parfüm und versprühen hohe Dosen hinter ihren Ohren. In den nächsten Tagen nehme ich Abstand von Jadda und Walda.
Loser
Großstadtmäßig
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