Reise in die arabische Haut
kann zuschauen, wie sie in Zeitlupentempo in den Wellen versinkt.
Meine Armbanduhr zeigt an, dass wir kurz vor neun am Abend haben. Mir kommt unser Frauenausflug wie ein kurzer Augenaufschlag vor.
Behäbig trotten wir zum Auto. Die Langsamkeit des Seins in Afrika. Hier wird nicht nach der Zeit gelebt, sondern mit der Zeit. Ein Phänomen, das ich in Deutschland sehr vermisse.
Auf dem Rückweg schnarcht Jadda, während Walda schlaff mit dem Kopf an meiner Schulter lehnt und vor sich hin döst.
Jamila erklärt Shirin den Nachhauseweg.
Ich versuche, nicht zu kotzen. Mein Bauch schmerzt von dem zuckersüßen Gebäck. Mir ist grottenübel. Tapfer halte ich durch, bis wir in Beni Hassen ankommen. Ich schaffe es bis zum arabischen WC und übergebe mich in das Loch. Somit habe ich auch dieses Stehklo eingeweiht. Da ich nicht genau in die Öffnung gezielt habe, beseitige ich grob die Überreste mit dem Wasserschlauch.
Diese Toilette befindet sich mitnichten in einem optimal sauberen Zustand, sodass mein Gewürge kaum auffällt.
Als ich mich auf die Matratze gebettet habe, reibt Jadda meinen Bauch mit einem Kräutersud ein.
Kurz darauf schwirre ich als Engel im Kosmos umher und versende Bestellungen, die die Menschen massenhaft von der Erde ins Universum schicken. Anstrengender Traum. Die Leute ordern jeglichen Mist. Und Bärbel Mohr reklamiert en masse, sodass meine Auslieferungen eine reine Tortur sind.
Shopping in El Djem
Von Waldas Gekreische aufgewacht, wanke ich schlaftrunken in den Hof. Jadda schüttelt abfällig den Kopf. Ein arabischer Fauxpas, der mir heute Morgen unterläuft, denn ich bin nur mit meinem kurzen Nachthemd bekleidet. Rückwärts stolpere ich in mein Zimmer zurück und werfe mir mein tunesisches Hauskleid über den Leib.
Ali Baba und Walda streiten bis die Fetzen fliegen. Ich möchte wissen, warum sie zanken. Zu meinem Pech ist meine private Dolmetscherin, die Jamila, nicht anwesend.
Mein Schwiegervater wirft seinen Besen, mit dem er den halben Hof gekehrt hat, auf die Olivenzweige und kramt seinen Autoschlüssel hervor.
»Olive«, schreit Walda.
Habe ich etwas Schlimmes angestellt? Ich sage: »Endawesch.«
Ich will mich sauber vor der keifenden Walda präsentieren. Heute stört mich noch nicht einmal das kalte Wasser, das aus der Dusche platscht. Ich bleibe eine Viertelstunde im Badezimmer.
In meinen Kinderjahren wurde am Samstag der Badeofen angeschmissen. Wir Kinder standen Parade für den allwöchentlichen Badegenuss. Hier in Beni Hassen darf ich fast jeden Tag duschen und durch die warme Witterung ist das kalte Wasser sogar ein Genuss.
Während ich mich einseife, bringt mir Walda mein braunes, besticktes Baumwollkleid.
Ich stelle mich auf einen strapaziösen Tag ein. Bevor wir losfahren, trinke ich eine frische Erdbeermilch. Jadda bietet mir ein Stück Baklawa an. In Anbetracht des gestrigen süßen Tages verzichte ich dankend auf das klebrige Backwerk.
Diesmal sind nur wir alten Leute mit von der Partie. Wir karren nach El Djem, da meine Schwiegermutter neue Kleinkinderfahrräder für ihr Geschäft braucht. Die längliche Ladenstraße besteht aus vielen mittelgroßen Buden und Verkaufsgaragen. Die Vertreiber handeln mit Teppichen, Geschirr, Wäsche, Kleidung, Elektrogeräten und den begehrten Kinderfahrrädern. Walda und Ali kreuzen die Gasse, um das billigste Angebot einzuholen. Die gelblich vermummte Jadda hängt schwer an meinem Arm. Wir schlendern im Slow-Motion-Takt von einem Einzelhandelsgeschäft zum nächsten und schauen uns an den umfangreichen, bunten Artikeln satt. An dem einzigen Lebensmittelstand kauft Jadda zwei Pfirsiche, die wir genussvoll in uns hineinstopfen.
Aufgrund der Tatsache, dass Ali und Walda verschwunden sind, suchen wir unser Auto auf. Angelehnt an der Motorhaube warten wir, dass die ehemals feindlich gesinnten Eheleute anrauschen. Hätte ich vorher gewusst, dass dieser Trip so trostlos wird, wäre ich keinesfalls mitgefahren.
Nach vier gesungenen Suren kehren die Schwiegereltern ohne Einkäufe zurück. Jadda, die alles wissen will, guckt fragend aus einem Auge. Walda erklärt ihr in wenigen Worten die Sachlage. Ich gebe mir keine Mühe, Gesprächssegmente aufzuschnappen. Was interessieren mich monotone Shoppingtouren?
Seit ich in Tunesien lebe, reichen mir minimale Sachen aus. Die Sammelleidenschaft für unnötigen Ballast boykottiere ich komplett.
Ali kutschiert uns zum drittgrößten Rundtheater der Welt, das Amphitheater. Durch enge Flure
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