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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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halsbrecherisch über die Autobahn. Frisierte Mofas und Motorroller, die stinkend und qualmend durch die Straßen rollen und nicht selten für einen Transport benutzt werden, runden das alltägliche Bild ab.
    Halt, es fehlen noch die ökologischen Verkehrsteilnehmer: Die Esel. Sie stinken nicht nach Abgasen, benötigen natürlichen Treibstoff in Form von Getreidehülsen/Hirse und traben seelenruhig zwischen den Benzinern durch die Gassen.
    Als wir um die Ecke biegen und die Straße überblicken können, sehen wir Jamila, die mit einem jungen Mann schäkert. Der Jüngling dreht sich auf dem Absatz um und verschwindet im Nachbargebäude. Jamila winkt uns zaghaft zu.
    Ali Baba parkt sein blaues Statussymbol vor dem Portal. Wutentbrannt steigt er aus, geht auf Jamila zu und schlägt ihr mit der linken Hand brutal auf die Wange. Jamila taumelt bedrückt zurück in den Hof.
    So barbarisch habe ich Ali Baba nicht eingestuft. Bisher war er immer der gutmütigste Vater, den man sich wünschen kann. Welche Laus ist ihm über die Leber gelaufen?
    Jamila benimmt sich sehr undurchsichtig. Gemütliche Gespräche finden äußerst selten statt. Auch Internetbesuche sind abgeschrieben. Ich führe es darauf zurück, dass ich schon viel zu lange in dieser Familie verweile und mittlerweile Alltagsgeschichte bin. Seit ein paar Wochen klammert sich Jamila nur noch an Walda und Shirin, während Jadda und ich uns anöden. Ich muss dringend Jamila interviewen, um ihr das Geheimnis zu entlocken.

Hochzeitsvorbereitungen
     
    Wie gehabt ist am Dienstagmorgen der Souk in der Stadt. Fröhlich schlendere ich mit Walda, Shirin und Jamila durch das wohlriechende, farbenfrohe Gewürzambiente.
    Wir laden das Übliche an Obst, Gemüse, Kartoffeln und Spülmittel in unseren Korb. Walda schüttelt verneinend den Kopf, als ich bei der billigen Seife zugreifen will.
    Jamila betrachtet gezielt die sündigen BHs und Slips. Im Souk breitet sich die feminine Unterwäsche für jeden sichtbar auf den Wühltischen aus. Zu Hause verstecken wir unsere guten Stücke vor der männlichen Verwandtschaft. Spitzendessous, die mehr zeigen als verbergen, rufen meinen Trotz hervor. Unartig grapsche ich nach einem Miniunterhöschen der Marke Uhse.
    Nur kurz ist die Freude, denn Walda zieht mich zu einem Stand, der mit weiten langen, kostbaren Kleidern behangen ist. Ich soll mir ein neues Gewand aussuchen. Sie begeistert mich mit ihren Ideen stets aufs Neue.
    Bereitwillig suche ich mir ein halblanges, dunkelblaues, goldbesticktes Baumwollkleid mit einer Pumphose aus. Die Hose ist zu lang. Kein Problem, denn das wird die Prada-Schneiderin schon richten. Walda bezahlt ohne Widerstände den kostspieligen Preis. Ich frage: »Wofür?«
    Und bekomme, wie fast immer, keine Antwort.
    Vorsichtig ticke ich Jamila auf die Schulter und horche sie aus: »Why do I get a new dress?«
    »Wedding«, heißt ihre knappe Antwort.
    Boah! Hochzeit!
    »Who?«
    »I!«
    Jamila steckt in Hochzeitsvorbereitungen. Daher rührt ihr seltsames Verhalten. Jadda tappt auch im Dunkeln, andernfalls hätte sie mir bestimmt von der bevorstehenden Vermählung erzählt.
    Kennt Jamila ihren Verlobten? Ist diese Ehe arrangiert? Eine Zwangsheirat? Steht diese Hochzeit mit der Backpfeife von Ali Baba in Verbindung? Ich erlebe hier live, was ich in diversen Büchern über fremde Kulturen gelesen habe.
    In der deutschen Buchpresse füllen bedenkliche Frauenschicksale die Seiten. Ich kenne fast jede Geschichte.
    Meine deutsche Verpflichtung besteht darin, die Hochzeit auf Biegen und Brechen zu verhindern. Aber wie stelle ich das an, wenn ich nicht ausreichend tunesisch spreche, nicht der tunesischen Tradition und Kultur angehöre und nur bedingt Allahs sowie Alis Tochter bin?
    Abends stellt Walda einen übergroßen Topf mit zehn Litern uraltes Olivenöl auf den Gasherd. Sie lässt das Öl auf kleiner Flamme sieden und vermischt es mit Natronlauge, bis sich eine homogene, klare Flüssigkeit herauskristallisiert. Das Fluid wird in eine blecherne Wäschewanne geschüttet und kaltgestellt.
    »Soap«, rümpft Jamila ihre Nase.
    Kernseife, die Seife für alle Fälle.
    Täglich wird die Mixtur umgerührt, sodass sich alle Zutaten optimal vermischen. Nach einigen Tagen wird die Seife hart und ist benutzbar.
    Nachts bekomme ich wegen der überstürzten Hochzeit nur ein Auge zu. Vielleicht ist Jamila schwanger? Das darf nicht sein! Jamila muss als Jungfrau in die Ehe gehen, damit sie unsere Ehre nicht beschmutzt.
    Ich ticke nicht

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