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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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diesbezüglich brachen vereinzelte Diskussionen aus, man hörte hurra, hurra! und hipp, hipp! rufen, und die zunächst noch friedlichen Gruppen zeigten Symptome der Erregung, die Unheil verhießen. In diesem Augenblick trat Mister Kennedy an die beiden Freunde heran und sagte zu ihnen:
    »Sehen Sie sich vor, das wird in eine allgemeine Prügelei ausarten, und Sie werden Ihre Fäuste einsetzen müssen.«
    »Danke«, meinte Jonathan, »mir reicht’s, ich lege keinen Wert darauf, mir ein Auge ausschlagen zu lassen.«
    »Allerdings, Jonathan, wenn wir die englischen Sitten genauer erforschen wollen …«
    »Ganz wie es dir beliebt, Jacques; doch ich verschwinde.«
    »Aber mein lieber Jonathan, wir sind Franzosen, und im Ausland repräsentiert jeder Franzose Frankreich, wir können uns nicht davonstehlen … im übrigen ist die Türe verschlossen!«
    »Ich habe eine Idee, Jacques, mach es mir nach, und wir werden uns aus der Affäre ziehen.«
    Die Schlägerei griff um sich; der Vorsitzende hatte, um im englischen Boxerjargon zu sprechen, einen hochgradig beschädigten
Rüssel,
und der stellvertretende Vorsitzende ein paar ausgeschlagene Zähne in der
Erdäpfelfalle;
es wurde immer lauter, selbst der achtbare Joe Kennedy hatte soeben einen formidablen Schlag aufs Auge abbekommen, und der
rote Saft
floß allenthalben, als plötzlich das Licht ausging. Jacques und Jonathan hatten geschickt die Gashähne abgedreht und ergriffen im Schutz der Dunkelheit die Flucht, nicht ohne jedoch ein paar eindrucksvolle Rippenstöße eingesteckt zu haben, die ihnen ein angemessenes Bild von der Kraft der englischen Faust vermittelten.
Siebzehntes Kapitel
Ein nächtliches Konzert
    »Und jetzt«, sagte Jonathan, als sie auf der Straße standen, »ab ins Hotel!«
    »Und zwar schnell, denn ich weiß nicht, ob diese erlauchten Gentlemen unseren Scherz goutieren werden; es ist unstatthaft, in dieser Weise die Vergnügungen einer ganzen Gesellschaft zu stören.«
    »Und ein Wiedersehen mit diesen reizenden Tischgenossen, mein lieber Jacques, ist ganz unwahrscheinlich, denn wir reisen morgen ab.«
    »Aber Jonathan, was ist mit dem guten Mister Kennedy? Wir schulden ihm zumindest einen Verdauungsbesuch!«
    »Mein teurer Freund, man schuldet nur dann einen Verdauungsbesuch, wenn man in Muße verdauen konnte, dies ist allerdings nicht der Fall! Laß uns also ins Hotel zurückgehen, und wünschen wir Mister Kennedy, Mister Brindsley und Sir John Sinclair noch einen schönen Abend! Ich für mein Teil habe es eilig, nach Schottland zu kommen. Die Melodie, die musikalische Inspiration sind aus diesem grauenhaften Land geflohen, und ich werde sie nur im Reich Fingals wiederfinden.«
    Kaum waren diese Worte ausgesprochen, da drang die Kavatine aus dem
Trovatore: Quel suon, quelle preci solenni
an Jonathans Ohren; ein Unglücksrabe spielte mit einem Kornett, das von einer dicken Schicht Grünspan überzogen war, äußerst gewissenhaft dieses fatale Stück an der Ecke des Platzes von Saint George’s Hall.
    »Man kann sich bestimmt vergiften«, sagte Jacques, »wenn man in dieses karbonisierte Blechinstrument bläst!«
    »Und vor allem, wenn man so eine Arie spielt!« fügte Jonathan hinzu.
    Von dieser barbarischen Melodie verfolgt, erreichten die Touristen das Queen’s Hotel; es war ein echter Genuß für sie, endlich in richtige Betten zu sinken, die wie im Mittelalter auf vier Säulen ausladende weiße Vorhänge trugen; nur die Laken aus gewalkter Baumwolle riefen bei ihnen im ersten Augenblick ein recht unangenehmes Gefühl hervor. In England nehmen die Betten den meisten Platz im Zimmer ein; man kann sich nur mit Mühe umdrehen, und zuweilen muß man das Fenster öffnen, um in seine Rockärmel zu schlüpfen. Die Ankleideräume sind hoch und breit, mit riesengroßen Fayenceutensilien ausgestattet; kleine, niedrige Tische stehen für die Koffer bereit; diese Hotels verfügen über einen gewissen Komfort, der sich nicht mit dem groben Kattun der Vorhänge und den geflickten Teppichen verträgt. Und doch mußte dieses Hotel von Bedeutung sein, wenn man nach dem Preis von fünf Shilling pro Nacht und Bett urteilt, der auf den Anschlagtafeln vermerkt ist.
    Die Reisenden waren zum Umfallen müde, und so schliefen sie auch bald ein; doch sie wurden ein erstes Mal durch ein Geschrei und Gekreisch aus dem Schlaf gerissen, das sich unter ihrem Fenster erhob: Fünf oder sechs noch junge Frauen zankten und prügelten sich auf dem Platz! Niemand scherte sich

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